Konzentrierte Power

Engerhafe. Zum 15. Mal hat „zwischen den Jahren“ das dreitägige gleichnamige Folkfestival des Vereins „Kunst und Kultur in Ostfriesland e.V.“ im Gulfhof Ihnen stattgefunden. Mitinitiator Otto Groote konnte seine Begeisterung am Sonntag (29. Dezember) kaum zügeln. „Großartig“ sei alles gelaufen.

War vom Programm begeistert: das Publikum, das teilweise alle drei Festival-Abende besuchte. Bilder: Wolfgang Mauersberger

Die Musiker – konzentrierte Power und höchst harmonisch im Umgang miteinander und mit den Gästen. Das Publikum – begeisterungsfähig und bis zu einem Drittel des räumlich Möglichen jeden Abend präsent. Die Stimmung – atmosphärisch dicht. Was geboten werde, sei geradezu einzigartig, bestätigte auch ein Folk-Fan, der aus dem Hamburgischen angereist war und in Leezdorf Quartier bezogen hatte.


Was wurde denn nun geboten? Vielschichtige Folkmusik, von selbst komponiert bis international, vom Walzer bis zum Shanty, vom emotionalen Song bis zu Ohrwürmern aus den 60er Jahren. Die Moderation erledigten die Künstler selber, wobei sie kleine Geschichten einwoben oder Textzusammenhänge klärten. Am dritten Abend legte Bert Hadders vor und beglückte die Besucher mit der Feststellung, dass die Texte für sie eh nicht verständlich seien. Das stimmte, weil das Groninger Platt tatsächlich nicht einfach zu verstehen ist. Aber das machte nichts, weil Hadders Charisma hat und man ihm seiner charmanten Art und seiner kraftvollen Stimme wegen gerne zuhört – in welcher Sprache auch immer.


Hadders sei ein Geschichtenerzähler, erklärte sein Freund Otto Groote. Und so sang der niederländische Barde von Leben, Liebe und Tod, von Kindheitserinnerungen und spontanen Lied-Ideen beim Blick aus einem Ditzumer Fenster. Auch die Kirche blieb nicht außen vor. So hätten die strengen Protestanten der Elterngeneration einst das Tanzen verboten – weshalb man zur Musik von James Last „auf Klompen“ das Verbot umgangen habe. Daraus entstand bei Hadders ein melancholischer Walzer. Seine Pastorengeschichte „Dominee, Dominee“, gewidmet dem Pastorenfreund Klaus, ist ein Klassiker und stand natürlich auf dem Plan.


Das Otto Groote Ensemble ersetzte die erkrankte Stephanie Struijk mit einem recht spontan zusammengestellten Programm aus plattdeutschen Liedern, für das man ganz kurzfristig tüchtig geprobt habe. „Ja, nicht einmal sieben Minuten“, entfuhr es Ensemble-Mitglied Ralf Strotmann – sehr zur Erheiterung des Publikums. Dass die sieben Minuten aber offensichtlich effektiv genutzt worden waren, zeigte sich, als das Ensemble loslegte. Die beiden Gitarren von Otto Groote und Matthias Malcher schufen – gestützt auf den Bass von Ralf Strotmann – einen satten, sonoren Sound, der den Texten ein tiefgründiges Fundament verlieh – „Sailing to Alaska“, „Hol fast Dien Leevde“ oder „Wiet weg van hier“.


Dann wurde es keltisch. „AnRinn“ ließ dabei die Stimmung hochkochen – mit energiegeladener Musik und einem überzeugenden Schwung, der alle ihre Beiträge kennzeichnet. Die fünf Musiker spielen jeder eine Fülle von Instrumenten – von der irischen Rahmentrommel über Low- und Tin-Whisles bis zu Bouzouki, Gitarren, Akkordeon, Fiedel.


Die größte Überraschung aber war ein irischer Dudelsack (Uillean Pipes), der wesentlich leiser und harmonischer klingt als die großen schottischen Dudelsäcke, seine Luft aus einem Blasebalg bezieht, der mit dem rechten Arm betätigt wird und dem Auftritt den letzten Pfiff verlieh. Zudem verfügt „AnRinn“ mit Anke Morhaus über eine Sängerin mit einer wunderbar kraftvollen Stimme, die sich mühelos gegen die vereinigten Instrumente durchsetzen kann, die sich aber auch im A-Capella-Gesang als geschmeidig und klangvoll erweist. Es spielten und sangen: Martin Czech, Matthias Malcher, Alexander Maßbaum, Helmut Henke-Tiede, Anke Morhaus und Anne Lahr.

Zwei Einzelvorträge lieferten Christian Sperber mit „Waltzing Mathilda“ und David Lübke mit seiner Eigenkomposition „Mein eignes Glück zu finden in diesen Zeiten fällt mir schwer“ – ein Ohrwurm, den das Publikum sofort aufnehmen konnte. Zugleich belegte der Song, dass sich auch Themen von Tiefgang in einer bestrickend gefälligen Weise präsentieren lassen.


Zum Schluss: Finale! Und was für eines! Alle noch anwesenden Musiker des Festivals vereinigten sich auf der Bühne zu einem kleinen Orchester, das derart begeisterte, dass ein Song dem nächsten folgte: „Leaving on a Jet Plane“, „Games People play“, „Will the Circle be unbroken“.

Eingangs sprach Anita Schürmann, Vorsitzende des Vereins „Kunst und Kultur in Ostfriesland“ bei ihrer Begrüßung von einem großen Familientreffen, das das Festival abbilde. Und in der Tat blieb die Stimmung bis zur letzten Minute freundlich, zugewandt und erwartungsvoll – „großartig“ eben, wie Otto Groote es schon angekündigt hatte.

Drei Gitarren, viel Gefühl und „blauer Norden“ – das ist das Otto Groote-Ensemble