Schieber-Max lehrt Charleston
Emden. Wer am Silvestertag nach einem heiteren Kulturprogramm zum Jahresabschluss suchte, war im Festivalhaus am Wall gut bedient. Dort gastierte das Casanova Society Orchestra – zehn Musikerinnen und Musiker aus Berlin, die mit ausgefeilter Moderation und musikalischem Geschick die 20er Jahre wieder aufleben ließen. Zwischen Pop-Ballade und Operette, zwischen Charleston und Walzer, zwischen Jazzstandard und Schellack-Schlager entfaltete sich ein bunter Reigen von Titeln, die zwischen den Kriegen entstanden sind – eine nur scheinbar Goldene Zeit, die aber nun mit Opulenz ihre Würdigung fand.
Dabei erwiesen sich die Musiker als Multi-Akteure. Sie moderierten, sangen, spielten jeder und jede mehrere Instrumente – und zeigten dabei viele Talente – gerade, was die stimmlichen Anlagen angeht. Andreas Holzmann wies als Conférencier, als Violinist, als Sänger und Tänzer ein großes Spektrum auf. Er tanzte mit einer Zuschauerin den „Schieber-Max“, lehrte von der Bühne herab mit gymnastischer Intensität und viel Überzeugungskraft den Charleston, so dass große Teile des Publikums mitmachten, regte – in dezenter Weise – zum Mitsingen an und war, kurz gesagt, in allen Sätteln gerecht. Auch seine Bühnenpartnerin Sarah zog er mit in den Sog. Sie aber zeigte seinem Charme gegenüber durchaus Widerstand – und das mit Freude.
Musik der 20er – dazu gab es die passende Kleidung. Frack, Smoking, funkelnde Abendkleider, glitzernde Stirnbänder. Ein Bühnenbild war da nicht nötig. Es genügten kleine Requisiten: ein Stock, ein Rucksack, ein Zylinder – schon setzte die Illusion im Kopf das entsprechende Bild zusammen. „Puttin on the Ritz“ (ankleiden für den Besuch im Nobelhotel Ritz) war also schon mal umgesetzt. Doch „Frauen sind keine Engel“ musste man hörend zur Kenntnis nehmen, gefolgt von der Frage „Hast Du schon von mir geträumt“? Möglich, denn „I could give you love, Baby“ – lautete das Versprechen, ehe „Der blaue Engel“ bekannte: „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“.
Ein Berlin-Medley eröffnete den zweiten Teil des Abends, der mit dem Hot-Jazz-Stück „Stampede“ von Fletcher Henderson eine rasante Fortsetzung nahm. Im Finale bekundeten die Instrumentalisten und Sänger, dass der Mensch „in der Nacht nicht gern alleine“ sei und dass „Ein Freund, ein guter Freund“ natürlich das Beste ist, das es auf der Welt gibt.
Damit ging dann ein Abend zu Ende, der auf eine etwas andere Art für Jahresend-Stimmung sorgte. Das Publikum zeigte sich begeistert – nicht einheitlich, aber der zweite Teil überzeugte auch die Skeptiker. Im nächsten Jahr, so merkte die Chefin von Kulturevents, Kerstin Rogge-Mönchmeyer, an, soll das Silvesterkonzert allerdings wieder „klassisch“ werden.
Violinistin Sarah
im Sängerinnen-Duett