Gut gebaute Deiche können „einiges ab“
Tagung zur Sturmflut von 1825 in Leer
Leer. Nach der großen Mandränke, der Weihnachtsflut von 1717, hatte der Landwirt Albert Brahms (1692 bis 1758) sein Thema gefunden: den Deichbau. „Kein Deich, kein Land, kein Leben“, folgerte er und fasste damit sein Lebenswerk in prägnante Worte. Diese gelten noch heute. Das wurde im Rahmen einer Tagung zur Sturmflut von 1825 deutlich, die die Deichverbände und die Ostfriesische Landschaft organisiert haben. Es ist ein Thema, das in einer Küstenregion auf breites Interesse stößt. Und so waren es rund 240 Besucher, die sich für die Veranstaltung im Leeraner Sparkassen-Forum angemeldet hatten.

Die Sturmflut von 1825 war so bedeutend gewesen, weil sie nur zu deutlich machte, dass die bisherigen Deiche zu niedrig, die Schutzmaßnahmen also nicht ausreichend waren. Dies führte dazu, dass der Küstenschutz einen anderen Stellenwert erhielt. Vor diesem Hintergrund richteten die Referenten den Blick nicht nur zurück in die Geschichte, sondern auch entschieden nach vorne.

Ingo Fortkamp

Heiko Albers

Gerd-Udo Heikens
Dr. Martina Karle (Niedersächsisches Institut für historische Küstenforschung), Professor Frank Thorenz (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz) und Dr. Ralf Weisse (Helmholtz-Zentrum Hereon) schilderten die Küste als einen dynamischen Naturraum, dessen Kennzeichen die beständige Veränderung ist. Martina Karle resümierte, dass die Häufigkeit der Sturmfluten in den letzten 120 Jahren sich nicht verstärkt habe. Aber der Meeresspiegel steige beharrlich – und das Ansteigen des Wassers beschleunige sich.

Frank Thorenz erinnerte daran, dass man nach der Sturmflut von 1962 in eine Vorsorgeplanung eingetreten sei, die sich bewährt habe. Seit 1976 habe es keine Überflutungen mehr gegeben. Die Flut von 1825 sei zwar die – bis dahin – höchste gewesen. Doch habe es durchaus höher auflaufende Wasserstände gegeben. So lief die Flut 1717 in Emden bis 4,62 über Normalnull auf. 1825 wurden 4,65 Meter gemessen, 1906 waren es 5,18 Meter, 2013 wieder 4,98 Meter. Man habe die Deiche aktuell für eine Wasserhöhe von 6,86 Meter eingerichtet. „Wir haben jetzt die Deiche für 2125 gebaut“, versicherte Thorenz. Auf die Korrelation zwischen Sturmflutaktivitäten und den Anstieg des Meeresspiegels verwies auch Ralph Weisse.

Rico Mecklenburg

Dr. Matthias Stenger

Dr. Martina Karle
Der Moderator, Oberdeichrichter Gerd-Udo Heikens (Pewsum), betonte in seiner Vorrede, dass man sich auf die Forschung verlassen könne. Und da gute Deiche „einiges abkönnen“, sehe er die Deichsicherheit für die nächsten 50 Jahre als gesichert an.
Der Leiter der Landschaftsbibliothek, Dr. Heiko Suhr fasste in seinem Vortrag die Ereignisse von 1825 zusammen und machte dabei deutlich, dass das Flutereignis überregional intensiv wahrgenommen worden war. Zahlreiche Spendensammlungen fanden statt. Die Flut hatte in Ostfriesland überschaubare Zahlen an Toten (elf), Nutzvieh (3545), völlig zerstörten Gebäuden (54), zerstörten Sielen (23), aber die Schäden an den Deichen waren enorm. Insgesamt zehn vollständige Deichdurchbrüche – der schwerste zwischen Larrelt und Emden -, sowie 97 Deichkilometer mit Beschädigungen waren die Bilanz. Die Weihnachtsflut von 1717 hatte mit 10 000 bis 12 000 Toten deutlich mehr Opfer gefordert, aber die sozialen und wirtschaftlichen Folgen seien 1825 tiefgreifender gewesen, referierte Suhr.

Professor Frank Thorenz

Dr. Ralf Weisse

Dr. Benjamin van der Linde
Dass es Schäden bis tief ins Binnenland gab, zeigte Dr. Benjamin van der Linde in seinem Beitrag. Der Historiker, Leiter der Fachstelle Regionalgeschichte beim Emsländischen Heimatbund, betrachtete die Sturmflut aus der Sicht des Emslandes, wohin das Wasser über die Ems gelangt war. Dort waren vor allem die Deiche betroffen.

Thomas Weiss

Dr. Heiko Suhr

Ute Lipperheide
Aber anders als an der Küste gibt es im Emsland keine Deichachten, und somit auch niemanden, der sich für die entstandenen Schäden zuständig fühlte, berichtete van der Linde.“ Die Flut sei auf eine Gesellschaft getroffen, die „anderes zu tun hatte.“ Die Deiche werden nicht erhöht. Unter der Leitung von vier Beamten wird eine neue Deichlinie gezogen, die viel Platz in einem breiten Vorland lässt, so dass die Wellen auslaufen können.