Wie füllt man alte Gulfhöfe mit Leben?
Aurich. Es war eine im Grunde fiktive planerische Arbeit, die Friederike Tjaden im Forum der Ostfriesischen Landschaft in den Mittelpunkt ihres Vortrags stellte und die enorme Aufmerksamkeit fand. Sie hatte an der Technischen Hochschule Georg Simon Ohm in Nürnberg eine Examensarbeit im Fach Architektur geschrieben, die sich mit der Frage beschäftigte, wie man die Gulfhöfe Ostfrieslands mit neuem Leben füllen kann: „Ostfriesische Gulfhäuser – im Konflikt zwischen Erhalt und Abriss. Mehrgenerationenwohnen in Rysum“.

Diese Studienarbeit war einem Mitglied des unter dem Dach der Ostfriesischen Landschaft neu gegründeten Arbeitskreises „Baukultur – Kulturlandschaft“ in die Hände gefallen. Und weil sich ein Projekt dieser AG mit der Verbindung vom traditionellen und zukünftigen Bauen in Ostfriesland beschäftigt, habe man einen Vortrag mit Friederike Tjaden verabredet, erklärte Reinhard Docter. Der ehemalige Emder Stadtbaurat gehört als Ruheständler einer – bisher – siebenköpfigen Gruppe innerhalb des Arbeitskreises an, die junge Leute für ostfriesische Architektur derart begeistern möchte, dass diese sich beruflich und privat in der Region etablieren.

Friederike Tjaden, gebürtig aus Stuttgart, aber über den Großvater mit ostfriesischen Wurzeln versehen, stellte im Forum der Ostfriesischen Landschaft in Aurich ein Konzept für den Einbau eines Mehrgenerationenhauses in eine Gulfscheune in Rysum vor. Ihr Ziel dabei ist es, das gemeinsame Wohnen auch mit Leben zu füllen. Daher hat sie verschiedene Gemeinschaftsbereiche im Haus geplant, um Bewohner, aber auch Gäste von außerhalb einzubeziehen.
Der grundsätzliche Gedanke dabei war, über zwei lange Gänge das Gebäude von 1834 in einen öffentlichen und einen privaten Teil zu gliedern. Von dem einen Gang, kenntlich gemacht durch einen Stampflehmboden, zweigen die Wohnungen ab, der andere Gang – ausgelegt mit roten Klinkern – bietet Zugang zu den allgemeinen Bereichen. Hier hatte Friederike Tjaden ein Café, aber auch einen Hofladen untergebracht, da es im Dorf selber ein solches Angebot nicht mehr gibt. Zudem plant sie zwei Freiflächen, die flexibel bespielbar sind, sowie einen Raum für einen Pflegedienst. Insgesamt bietet der Hof – gemäß Architekturzeichnung – dreizehn Wohnungen auf insgesamt 830 Quadratmetern.
Nicht zur Aufgabe für das Examen gehörten Berechnungen der Kosten, Überlegungen zur Nachhaltigkeit, Gedanken zum Denkmalschutz. Das fragten die Besucher der Veranstaltung Gäste dann auch als erstes nach. Und das mit gutem Grund. Denn in Rysum war ein ebensolches Projekt bereits seit längerem geplant. Das Ganze ist bisher nicht realisiert worden, weil die Investitionen hoch und die Investoren rar sind. Nun hat Friederike Tjaden quasi in diese Bresche hineingeplant, denn sowohl bei ihrem Projekt wie bei dem der Rysumer steht derselbe Hof im Fokus.

Der Vortrag von Friederike Tjaden war der erste, der unter einem neuen Reihentitel stand. „horizont:weit. Studentische Beiträge zur ostfriesischen Baukultur. Mentoring- und Förderprojekt der Ostfriesischen Landschaft“ heißt diese Reihe, die am 25. März um 19 Uhr fortgesetzt wird. Dann spricht Hanna Bergmann über „Bauen in Ostfriesland – Analyse und Strategien der regionaltypischen und vernakulären Bauweisen sowie neue Visionen für einfaches Bauen im globalen Wandel“. Der Vortrag findet wieder im Landschaftsforum in Aurich statt.

