Hochspezialisierte handwerkliche Kunst

Riepe. Nach einem Jahr in der Orgelwerkstatt Kristian Wegscheider in Dresden wird die Wenthin-Orgel von Riepe in diesen Tagen wieder aufgebaut. Dazu ist ein Team aus Dresden gekommen, um in geduldiger Feinarbeit das Gehäuse zu errichten, die historischen Prospekt-Pfeifen aus der Zeit der Erbauung der Orgel wieder einzusetzen und den weitaus größeren Bestand an Pfeifen, die neu hinzukommen, einzubauen. Damit wird die Orgel aus dem 18. Jahrhundert dann eine gewaltige Stimme erhalten – so, wie es sich Orgelbauer Johann Friedrich Wenthin (1746 bis 1805) das einst vorgestellt hat.

Vor dem sanierten Orgelprospekt: Albert Kretzmer, Raik Marquardt, John Förster, Veit Müller, Michael Wetzel, Konrad Dänhardt und Uwe Endjer, der als Orgelbeauftragter seiner Gemeinde tätig ist. Bilder: Wolfgang Mauersberger

Da das Gesamtprojekt sehr groß war, hatte die lutherische Gemeinde Riepe es in einzelne Schritte gesplittet. Dazu gehörte die Restaurierung des originalen Altbestandes (Gehäuse und nach außen sichtbare Pfeifen), der Einbau eines zusätzlichen Pedalwerks, eines Trompeten-Registers, eines Registers mit der Bezeichnung „Vogelsang“, zweier Zimbelsterne und die Kolorierung des gesamten Instrumentes. Dafür ist Kirchenmaler und Restaurator Veit Müller nach Riepe gekommen.

Da muss Orgelkenner Albert Krezmer doch mal versuchsweise die neuen Tasten ausprobieren

Er hat die Fassung des alten Gehäuses, die eine Holzmaserung kopiert, ergänzt und saniert und das neue Gehäuse für die Aufnahme der neuen Pfeifen in zwei Schritten sorgsam an die Farbigkeit des Altbestandes angepasst. Dabei wurden mit Bedacht auch die Farben in der Kirche mit in den Blick genommen. Diese Gestaltung hatte man schon in Dresden geplant. „Aber so ganz genau ist er nur vor Ort zu bestimmen“, sagt Müller. Letztlich stellte sich dann aber in Riepe heraus, dass das entwickelte Farbkonzept „ganz dicht dran“ war. Die Ferndiagnose habe gut funktionieret, konstatiert Veit Müller.

Technisch anspruchsvoll: die Mechanik der Tastaturen. Rechts und links gedrechselte Registerzüge aus Pflaumenholz

Da die eigentlich bedeutsame Schauseite einer Orgel immer zum Kirchenraum hin ausgerichtet ist, wurde diese besonders sorgsam ausgearbeitet. Die dann noch sichtbaren Seitenteile sind nebenrangig – also auch weniger umfangreich bearbeitet worden. Das niederrangigste Teil – die Rückseite des Instrumentes – bleibt unbearbeitet. Diese Unterordnung der Bedeutung der einzelnen Gehäuseteile sei allgemein üblich, versichert Müller.

Vollständig neu gebaut oder erweitert: das Pedal und das doppelte Manual

Die heutige Farbfassung des Altbestandes bezieht sich auf den Status von 1899, der bis in die 60er Jahre zu sehen war. Danach war die Orgel in Weiß und Gold gestrichen worden. Das blieb so bis 2000. Dann wurde wieder die Holzfassung hervorgeholt. Diese Schichtenfolge konnten die jetzigen Restauratoren zweifelsfrei ermitteln. „Tiefer sind wir aber nicht gegangen.“

Kirchenmaler und Restaurator Veit Müller zeigt, wo ein Stück Holz im Orgelgehäuse erneuert und malerisch angepasst wurde

Da nun also die Holzsichtigkeit der Orgel beschlossen war, wurden auch die anderen Elemente entsprechend angepasst: So zeigen sich die beiden Manuale in Mahagoni-Holz mit feinen Intarsien aus Buchs und Ebenholz. Die Registerzüge bestehen aus dem Holz eines Pflaumenbaumes und wurden von Schreinermeister Uwe Houfek gedrechselt. Da dies aus freier Hand geschah, weist jeder Zug feinste Unterschiede auf und markiert damit die manuelle Machart.

Die Tasten des Instrumentes bestehen aus Ebenholz mit einer feinen Auflage aus Knochen. Das Register „Traversflöte“ weist eine ganz ungewöhnliche Holzart auf. Der ostfriesische Orgelkenner Albert Kretzmer hatte das Holz einst in Florenz gekauft, um damit Cembali zu bauen. Seine Werkstatt hat er inzwischen aufgegeben, das Holz aber dem Dresdner Orgelbaumeister Wegscheider an die Hand gegeben, Der wiederum brachte es in Gestalt eines Registers nach Ostfriesland zurück.

Die beiden Zimbelsterne in der obersten Etage des Orgelgehäuses

Bleiben noch die beiden Zimbelsterne hoch oben im Gehäuse. Hier werden noch kleine Glöckchen installiert, die dann den silbrigen Klang erzeugen, der besonders im weihnachtlichen Kontext für festliches Gepränge sorgt. Aber wer baut die Miniatur-Glöckchen für das Effekt-Register? „Auf jeden Fall keine Glockenbauwerkstatt“, versichert Michael Wetzel, der als Orgelbauer bei Kristian Wegscheider tätig ist. Also, wer dann? Glücklicherweise gäbe es noch Bronzegießer, die sich auf das Handwerk verstünden.

Orgelbaumeister Konrad Dänhardt mit den kalligraphisch gestalteten Schildern, die später die Registerzüge bezeichnen

Und so findet in Gestalt der Orgel von Riepe Neues und Altes, Kurioses und Rührendes, Feines und Rustikales, Farbiges und Monochromes zusammen und bildet eine hochspezialisierte handwerkliche Kunst ab, wie sie seit Jahrhunderten betrieben wird.