Dream-Team agierte mit enormer Dynamik
Emden. Wer dieses Konzert nicht gehört hat, der hat wirklich etwas versäumt. Das Festspielhaus am Wall war dann auch nahezu voll besetzt – und das Publikum reagierte völlig begeistert. Zu Gast war das Tschechische Symphonieorchester Prag mit rund 60 Musikern unter Leitung von Robert Kružik. Als Solist spielte Matthias Kirschnereit, Pianist, Hochschullehrer und künstlerischer Leiter der Gezeitenkonzerte.

Es war also ein Dream-Team, das da mit einem Klavierkonzert von Grieg und einer Symphonie von Dvořák „Klassiker der Romantik“ würdigte und einen hochemotionalen Abend gestaltete, der die wohltuende Möglichkeit schuf, sich von den hässlichen Realitäten des derzeitigen Alltags einige Stunden zu lösen.

Kirschnereit zeigte sich bei Griegs „Konzert für Klavier und Orchester“ a-Moll, op.16 blendend aufgelegt, brachte eine enorme Dynamik ins Spiel, die das Publikum geradezu verzauberte. Die ausdrucksstarken Kadenzen wurden intensiv ausgespielt und brachten reizvolle Akzente ins Spiel. Fast schien der Pianist auf seinen nächsten Einsatz zu „lauern“, um dann gespannt wie eine Feder loszulegen. Allerdings ist die Musik auch dazu angetan, Spannung zu erzeugen und breit gelagerte Abwechslung zum Prinzip zu erheben.

Pianist und Orchester

Kirschnereit und Robert Kružik
Der österreichische Musikkritiker und Komponist Hugo Wolf (1860 bis 1903) hat – das sei nicht verschwiegen – einst ein vernichtendes Urteil über das Konzert gefällt. Er schrieb 1885: „Das A-moll-Konzert von Grieg aber mögen die Konzertgeber sich und dem Publikum künftighin schenken. Dieses musik-ähnelnde Geräusch mag vielleicht gut genug sein, Brillenschlangen in Träume zu hüllen oder rhythmische Gefühle in abzurichtenden Bären zu erwecken; – in den Konzertsaal taugt es nicht …“ (zitiert nach Hella Brock „Edvard Grieg als Musikerzieher).

überreichte Tee

schritt zur Zugabe
Dass die bei Wolf geradezu vor Gericht stehende Musik – der harschen Kritik zum Trotz – bis heute überaus beliebt ist, zeigte sich auch in Emden, wo es enthusiastische Beifallsbekundungen gab. Die bezogen auch das zweite Werk des Abends ein – Dvořák „Symphonie Nr. 8“ mit dem walzernden 3. Satz und dem wundervoll gesteigerten Schluss. Das Orchester war da unter dem raumgreifenden Dirigat Robert Kružiks ganz bei sich. Man spürte, wie nah die Musik des böhmischen Komponisten dem tschechischen Orchester war. Vielleicht war es auch Ausdruck von Heimat, diesem vielgescholtenen Begriff, der sich hier in seiner ursächlichen Bedeutung zeigte.

Matthias Kirschnereit

David Stranofský
Derart in Fahrt gekommen, legten die Prager gleich noch einen Dvořák nach – dessen 16. slawischen Tanz. Auch Kirschnereit hatte eine Zugabe dabei: ein Nocturne von Chopin, mit dem er das Publikum beseeligt in die Pause verabschiedete. Und hier erlebte der künstlerische Leiter der Gezeitenkonzerte dann eine Reaktion, die er in dieser Intensität wohl nicht erwartet hatte. Die Nachfrage nach dem frisch gedruckten Programmheft „Hoffnung!“ der diesjährigen Gezeitenkonzerte war so groß, dass im Nu alle 160 Exemplare, die Kirschnereit vorausschauend mitgenommen hatte, vergriffen waren.

Eingangs hatte die Betriebsleiterin von Kulturevents Emden, Kerstin Rogge-Mönchmeyer, Orchester und Solisten wertschätzend begrüßt und darauf verwiesen, dass das Eröffnungskonzert des Festivals am 16. Mai ebenfalls im Festspielhaus am Wall stattfinden wird. Kirschnereit wird auch spielen – Mozart.