Licht und Schatten in feinem Gleichgewicht
Emden. Einen eindrucksvollen Einstieg in den Frühling erlebten die Besucher der Sonntagsmatinée in der Johannes a Lasco Bibliothek. Sopranistin Vilma Pigagaitė hatte mit Miriam Griess (Violoncello) und Leonid Dorfman (Klavier) erfahrene Musiker an ihrer Seite, die ein ungewöhnliches Programm präsentierten, das das Motto des Vormittags „Licht und Schatten“ umsetzte. Schon der Einstieg mit Lied und Tanz des armenischen Komponisten Komitas Vardapet kennzeichnete diesen Ansatz.

„Krunk“ (Der Kranich) ist ein Auswanderer- oder Pilgerlied, das wirkmächtig von Miriam Griess mit einem Cello-Solo begonnen wurde. Die drei Musiker nahmen unterschiedliche Positionen im Raum ein und erzeugten so eine Weite, die sich in der Stimme von Vilma Pigagaite spiegelte. Dazu gesellten sich zwei Variationen von Robert Schumann, die in ihrer Grundstruktur die gesellige Einsamkeit widerspiegelten.
Mit der katalanischen Komponistin Elisenda Fabregas (geboren 1955) verknüpfte sich eine Geschichte, die Professor Dr. Kestutis Daugirdas, wissenschaftlicher Vorstand der Bibliothek, lächelnd erzählte. Denn die Komponistin hatte eigentlich geplant, nach Emden zu kommen, um ihr Werk „Danses de la terra“ live zu erleben. Allerdings habe der Blick auf Entfernungen und auf die Schwierigkeiten der Anreise schnell zu der Erkenntnis geführt, dass sich Derartiges nicht spontan umsetzen lasse. Die „Danses“ sind ein vierteiliges Werk, das als Cello-Solo zu einer stimmigen Gefühlslandschaft wurde, in der die Tänze Erinnerungen heraufbeschworen.



Richard Strauss war mit zwei Liedern vertreten: zum einen das berühmte, aufmunternde, „lichte“ „Und morgen wird die Sonne wieder scheinen“, zum anderen das komplex aufgebaute „Ruhe, meine Seele“. Und wenn sich irgendwo Licht und Schatten in einer Komposition finden, dann in diesem Lied, das melancholisch schwer beginnt und mit einem heiteren Ton endet. Vilma Pigagaitė und Leonid Dorfman ergänzten sich wunderbar und schufen klanggesättigte kleine Kunstwerke.

Schumanns „Phantasiestücke op. 73 Nr. 1 und 3“ – man könnte wetten, dass diese edlen Tonfolgen keinem Menschen fremd sind. Sie sind eingängig und fließen vollendet leicht dahin. Doch sollte man sich über die Vielschichtigkeit der Kompositionen nicht hinwegtäuschen lassen. Sie vermitteln eben nicht nur Musik, die dem Ohr gefällig ist, sondern bergen zugleich Gehalt und Tiefe.

„Der Hirt auf dem Felsen“, diese wundervolle Arie im Gewand eines Liedes, erklang zum Schluss. Auch hier geht es um Gegensätze von Gram und Freude, aber auch um Berg und Tal, also um Tiefe und Höhe und – in der Schluss-Szene – um den jährlichen Neubeginn der Natur. Es wurde zum eindrucksvollem Abschluss eines Konzertes, das von der klugen Zusammenstellung des Programms und der Qualität der Umsetzung lebte. Dieses setzte sich auch bei der Zugabe fort. Es erklang Rachmaninows „Vokalise“, eine Art „Lied ohne Worte“, das seine Dominanz in der hohen Singstimme von Vilma Pigagaitė fand.
Fazit: Ein erhellender Vormittag, bei dem Licht und Schatten in sorgsam konstruiertem, feinem Gleichgewicht standen.