Eine Erfindung des 19. Jahrhunderts
Bunderhee. Der Spruch „Lever dood as Slaav“ (Lieber tot, als Sklave), der wird immer wieder im Zusammenhang mit dem Ausruf „Eala Frya Fresena“ als historischer Wahlspruch der Ostfriesen bezeichnet wird, stammt nicht aus dem Mittelalter, sondern stellt eine neuzeitliche Konstruktion zur Umschreibung realer friesischer Traditionen dar. Das ist das Ergebnis eines Workshops, zu dem sich 25 Historiker und Sprachwissenschaftler im Steinhaus Bunderhee trafen. Sie diskutierten auf Einladung der Ostfriesischen Landschaft, des Niedersächsischen Landesarchivs – Abteilung Aurich und der Fryske Akademy Leeuwarden. Das geht aus einer Pressemitteilung der Ostfriesischen Landschaft hervor.

„Die anregenden Diskussionen über den Zusammenhang von Freiheit und Steuerzahlungen, aber auch die Differenzierung zwischen persönlicher und politischer Freiheit zeigen die Bedeutung eines wissenschaftlichen Austausches zwischen Ost-, West- und Nordfriesland“, erklärte Dr. Michael Hermann, Leiter des Niedersächsischen Landesarchivs in Aurich. Diskutiert wurde außerdem die Darstellung des Themas auf Social Media. „Bei der Diskussion um die Friesische Freiheit ging es auch um eine Auseinandersetzung mit der Vereinnahmung des Themas durch rechtsextreme Kreise“, betonte Dr. Heiko Suhr, Leiter der Landschaftsbibliothek.
Im Eröffnungsvortrag untersuchte Dr. Bernd Kappelhoff die Verbindung zwischen der Sächsischen Fehde von 1514 bis 1517 und der Friesischen Freiheit. Laut Kappelhoff hatte der Machtkampf Graf Edzards I. mit den Oldenburgern und Welfen wenig bis gar nichts mit der Verteidigung der Friesischen Freiheit zu tun. Sie diente ab der Gründung der Grafschaft Ostfriesland 1464 eher als argumentativer Bezugsrahmen im Kampf gegen die absolutistischen Bestrebungen der Landesherrschaft. Solchermaßen in ihrem Inhalt völlig verändert, lebte sie begrifflich unter der Oberfläche weiter.

Anschließend hob Dr. Claas Riecken vom Nordfriisk Instituut hervor, dass der Spruch „Liiwer duad as Slaaw“ in dieser oder anderen friesischen Dialektvarianten in Nordfriesland allgegenwärtig sei und viele Menschen glaubten, er stamme aus dem Mittelalter. Allerdings konnte Riecken nachweisen, dass es sich bei dem Spruch um eine Erfindung des 19. Jahrhunderts handelt. Demnach geht seine Verbreitung zurück auf den Umkreis von Christian Feddersen (1786 bis 1874), dem Begründer der nordfriesischen Bewegung.
Danach befasste sich der niederländische Historiker Dr. Oebele Vries mit dem Begriff „freier Friese“. Er stellte fest, dass in den älteren westfriesischen Rechtsquellen öfter von „freien Friesen“ gesprochen werde. Der Begriff finde sich allerdings nicht in den älteren ostfriesischen Rechtsquellen. Somit dürfte die Verbindung „freier Friese“ seinen Ausgang in Westfriesland haben und wurde erst später in den ostfriesischen Gebieten aufgenommen. Vries geht davon aus, dass die Verbindung „frei“ und „Friese“ erstmals vor 1200 niedergeschrieben wurde.
Im Abschluss-Vortrag verfolgte Drs. Otto Knottnerus die Überlieferungsstränge dieses Schlagwortes seit der Antike. So sei bereits vom römischen Senator Tacitus die Aussage „Bleibe da noch etwas anderes übrig, als die Freiheit zu behaupten, oder vor der Knechtschaft zu sterben?“ überliefert. Die Verkürzung auf „Liever dood als slaaf“ finde sich erstmals 1786 und sei um 1837 in Nordfriesland durch den Kreis um Christian Feddersen populär gemacht worden. Im 20. Jahrhundert folgte laut Knottnerus eine Politisierung des Ausspruchs, der insbesondere in der NS-Zeit an Popularität gewonnen habe. Erst seit den 1970er Jahren sei der Ausspruch auch in Nord- und Ostfriesland wieder geläufig geworden und diene dabei einer Remystifizierung der friesischen Geschichte.
Das Projekt „Steinhausgespräch Workshop ,Lever dood as Slav'“ wurde durch das Interreg-Programm Deutschland-Nederland sowie seinen Programmpartnern ermöglicht und von der Europäischen Union kofinanziert. Die Tagung fand im Rahmen des niederländisch-deutschen Historikernetzwerks der Ems Dollart Region (EDR) statt.