Suizid, Superman und „Step by Step“

Emden. Das Ostfriesische Landesmuseum unter drei Museumsleitern: Anhand der beruflichen Viten von Dr. Konrad Ullmann, Dr. Helmut Eichhorn und Dr. Friedrich Scheele zeigte Referent Dr. Heiko Suhr, wie stark die Veränderungen im Haus in den Jahren zwischen 1966 und 2000 waren. Suhr machte das an den drei Begriffen Improvisation, Professionalisierung und Innovation deutlich, die er den drei Museumsleitern zuordnete.

Wies schon früh auf die Probleme des Ostfriesischen Landesmuseums hin, wurde aber nicht gehört: Dr. Konrad Ullmann

► Konrad Ullmann, Waffenexperte von hohen Graden, war dabei derjenige, so sagte Suhr, der zuerst auf die Probleme hinwies, die durch die massive Einmischung des KUNST-Vorstandes in die Arbeit des Museumsdirektors entstanden. Zudem war die Arbeitsüberlastung derart, dass Ullmann schließlich schriftlich darum bat, zumindest einen Sonntag im Monat frei machen zu können. Sein Plan, kleinere niederschwellige Angebote zu nutzen, um den Besuchern immer neue Anreize zu bieten und mehr Modernes zu zeigen, stießen nicht auf Zustimmung. Als Ullmann schließlich schwer erkrankte, wurde er nicht entlassen, sondern man wollte ihn in neue Aufgabenfelder einbinden. Ullmann ging – und beging zwei Wochen später Suizid.

Litt unter unrealistischen Arbeitsanforderungen: Dr. Helmut Eichhorn

► Mit einem Übermaß an Aufgaben und einer unklaren rechtlichen Stellung, sah sich auch Dr. Helmut Eichhorn konfrontiert, als er 1968 das Amt des Museumsdirektors übernahm. Eichhorn war nicht nur Leiter des Museums, gestaltete Ausstellungen, leitete Führungen, hielt bei den damals üblichen städtischen Empfängen historische Vorträge, sondern er war auch Chef des Stadtarchivs, des Kulturamtes, zudem stand er der KUNST zur Verfügung, musste wöchentlich Vorträge vor der Dienstagsrunde halten, leitete die Reisen der Gesellschaft, war dabei als Touristenführer tätig.

Schließlich gab es eine Aufgabenteilung zwischen städtischen und KUNST-Belangen: zu Zweidrittel sollte Eichhorn für die Kommune arbeiten, zu einem Drittel für die KUNST. Allerdings war diese Teilung keineswegs mit Entlastungen bei der Aufgaben verbunden. Suhr zitierte diesbezüglich Landschaftsrat Harm Wiemann, der gesagt habe, Eichhorn müsse schon ein Supermann sein, um alle Aufgaben zu bewältigen. „Es war alles völlig unrealistisch – und der KUNST-Vorstand wusste das auch“, fasste Suhr zusammen. Dazu kam die finanzielle Misere der Gesellschaft. Fazit des Referenten: Keine Helfer, kein Budget, keine Möglichkeit, auch nur im mindesten eine Inventarisierung zu realisieren.

Blick ins Magazin des Landesmuseums 1994

► Um die gesamte Misere des Hauses zu beleuchten, wurde 1994 ein Gutachten in Auftrag gegeben, das den Namen des Oldenburger Wissenschaftlers Detlef Hoffmann trägt. Hoffmann monierte vor allem die fehlende Inventarisation und den Platzmangel im Magazin. Das letztere Problem löste sich durch den Kauf des Hauses von Preußen Elektra in Borssum. KUNST und Stadt kauften das teilklimatisierte Gebäude symbolisch für eine DM. An die Inventarisierung machten sich zwei Wissenschaftlerinnen unter Leitung von Hoffmann. Als auch die Dauerausstellung moniert wurde, entwickelte Hoffmann die Konzeption für eine Ausstellung „Seefahrt tut not“. Alles das sei allerdings ohne Mitwirkung des Museumsdirektors geschehen, erläuterte Suhr. Für das Oldenburger Team bedeutete die Arbeit an der Ausstellung einen Aufwand, der die Fertigstellung der Inventarisierung verhinderte.

► Dafür wurde dann Dr. Friedrich Scheele eingestellt, zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter, beauftragt mit dem Erstellen einer Neugliederung und Bestandssichtung. Hoffmann hatte zuvor eine Kostenrechnung für den Umbau des Museums in Höhe von zehn bis 15 Millionen Mark ausgemacht – dies zu einer Zeit, als der jährliche Zuschuss der Stadt für das Museum bei etwa 3000 Mark lag. Ein Antrag beim Ministeriums für Kultur und Wissenschaft wurde dort dann auch „abgeschmettert“. Scheele setzte der Riesensumme ein mäßigendes „Schritt für Schritt“ entgegen. Mit dem Eichhorn-Nachfolger Friedrich Scheele kam es sodann zu Innovationen, die 2005 zur Neueröffnung des sanierten Museums führten.

Um die Fakten auf den Tisch legen zu können, habe er mit Hilfe von KUNST-Vorstandsmitglied Johannes Berg rund 5000 Seiten Akten und Korrespondenzen durchgesehen, berichtete Suhr.