Auf der Suche nach einem verschollenen Porträt
In der Johannes a Lasco Bibliothek ist – nach Winterpause und Bauarbeiten – die Ausstellung „Aufklärung in Ostfriesland“ weiterhin zu sehen. Zum Auftakt der bis zum 4. Mai dauernden Schau wirft KiE den Blick auf besondere Exponate und erzählt die Geschichten hinter diesen Werken.
Teil 1: Das Bildnis des reformierten Emder Pastoren Elias Meder (1761 bis 1825)
Emden. Dies ist die Geschichte der Suche nach dem Bildnis eines Pastoren. Der auf dem Porträt Dargestellte war Pastor Helias Meder (1761 bis 1825), ein gebürtiger Emder, der in Groningen Theologie studiert und dort aufklärerisches Gedankengut aufgenommen hatte. 1789 wird er Pastor in Emden, nachdem er zuvor in Groningen den theologischen Dienst versehen hatte. 1794 heiratet Meder Oktavia Bellina Feith aus Zwolle. Meder wird damit zum Schwiegersohn des berühmten niederländischen Dichters Rhijnvis Feith.

Er selber schreibt auch: theologische Werke in großer Zahl. Dabei sei er „ein Mann von großen Geistesgaben, angenehmem Wesen und frommer Gesinnung“ gewesen, vermerken die beiden Theologen und Wissenschaftler Privatdozent Dr. Hans Georg Ulrichs und Dr. Karl Friedrich Ulrichs über den Geistlichen. Da von ihm eine ganze Reihe von Porträts überkommen sind, ist er sich womöglich auch seiner Wirkung bewusst gewesen. Vielleicht spielte auch eine gewisse Eitelkeit hinein? Einen „Anflug gelehrten Dünkels“ vermeinen die Ulrichs-Brüder den Abbildungen auf jeden Fall entnehmen zu können.
Die Johannes a Lasco Bibliothek besitzt ein Bildnis des Theologen, der heute in der Öffentlichkeit nahezu vergessen ist. Es entstand 1828/29 – also rund drei Jahre nach seinem Tod – und wurde von dem Niederländer Willem Bartelt van der Kooi gemalt. Dieses ist in der aktuellen Ausstellung zu sehen. Doch der Maler hatte ein Vorbild, das zu Lebzeiten Meders entstand und ihn deutlich als Pastor an der Großen Kirche auswies. Allerdings war dieses Original nicht auffindbar.

Es war ein Rätsel, das den wissenschaftlichen Mitarbeiter an der Johannes a Lasco Bibliothek und Kurator der Ausstellung, Dr. Klaas-Dieter Voß, schon seit Jahren beschäftigte und das er unbedingt lösen wollte. Dann schälte sich eine vage Spur heraus. Diese führte in die Niederlande und hing mit dem Namen der adeligen Familievan Ittersum in Zwolle zusammen. Das war keine Vermutung aus dem Blauen heraus: Das einzige Kind des Ehepaares Meder, Tochter Ockje, hatte 1829 den niederländischen Adeligen Jan Willem Cornelis Baron van Ittersum in Zwolle geheiratet. Da sie Alleinerbin ihrer Eltern war, bestand die Möglichkeit, dass sich das Porträt, so es nicht irgendwann zerstört worden war, nach wie vor in Familienbesitz befand.
Das Internet und sonstige klassische Optionen einer Suche fruchteten nicht. Die Familie blieb buchstäblich in einem Nebel verborgen. Dann kam der Zufall Voß und seiner mittlerweile „ziemlich hoffnungslosen Suche“ nach dem Porträt zugute. Mit einer Gruppe von befreundeten Niederländern besuchte er Greetsiel. „Man fragte mich, was ich aktuell mache, und ich berichtete dann über die Ausstellung und die Unmöglichkeit das Original des Meder-Porträts zu finden, das die Vorlage für das Gemälde von van der Kooi war. Diese Information befindet sich übrigens auf der Rückseite unseres Gemäldes in der Bibliothek!“ Man kam ins Gespräch, und es war es eine „unerwartete große Überraschung, über diese Gruppe einen Kontakt zu der Familie herstellen zu können“.

So stellte sich heraus, dass das gesuchte Porträt tatsächlich über die Zeiten hinweg von der Familie sorgsam behütet worden war. Die Niederländer zeigten sich großzügig und stellten das Bild für die Ausstellung zur Verfügung. Jetzt hängt das Bildnis Pastor Meders in der Bibliothek – quasi in Reichweite seines Grabes, das sich auf dem Friedhof der einstigen Großen Kirche befindet. Dort hatte Meder einen großen Begräbnisplatz gekauft und ihn mit einer Pyramide kenntlich gemacht. Diese Stele ist ein typisches Zeugnis des frühen 19. Jahrhunderts. Auf der Rückseite ist ein Schmetterling in den Sandstein gehauen, der auf die Auferstehung verweist. Im vorderen Bereich befinden sich zwei niedergelegte Fackeln, die das Ende des Lebenslichtes bedeuten.
Meder stirbt vor 200 Jahren, am 17. Juni 1825, fünf Jahre und drei Tage nach Oktavia, die ebenfalls auf dem Friedhof der Großen Kirche bestattet wurde. Meders Geburtstag jährt sich am 20. März zum 264. Mal. 36 Jahre hatte er das Amt des Pastors an der Großen Kirche inne – als ein Mann von großer Gelehrtheit und von Niveau, wie ihm der Coetus, die Vereinigung reformierter Pastoren, dessen Vorsitzender Meder lange war, bescheinigt.
► Der Kontakt zur Familie Ittersum indes zeitigte weitere Folgen. Davon wird im nächsten Teil der Serie zu berichten sein.