Parforce-Ritt durchs Notengetümmel

Jennelt. Organist Jörg Jacobi ist von der Orgel des Johann Friedrich Constapel aus Wittmund ganz verzaubert. Das kleine Instrument von 1738 – gebaut für die reformierte Kirche zu Bargebur, dann nach Hamswehrum gebracht und schließlich in Jennelt aufgebaut – besticht durch seinen schönen Klang, der vielfache Ausprägungen zeigt. Zwar verfügt die Orgel nur über ein Manual und acht Register samt angehängtem Pedal, aber mit diesen überschaubaren Möglichkeiten lassen sich wunderschöne Klangfarben und Ausdrucksweisen erzielen

Blick in die reformierte Kirche zu Jennelt, in der das Konzert „Passió“ stattfand. Bilder: Wolfgang Mauersberger

Das zeigte sich bei einem Konzert in der romanischen Kirche zu Jennelt – im Vorfeld des Krummhörner Orgelfrühlings (6. bis 11. Mai) -, das Jörg Jacobi und Veronika Skuplik (Barockvioline) am Gründonnerstag gaben. Die Musikerin hatte eine Reihe von Komponisten des 17. Jahrhunderts ausgewählt und von diesen Stücke zusammengestellt, die nicht spezifisch in den Kreis der Passionsmusiken gehören, die aber „Passion ausdrücken“, wie sie dem interessierten Publikum erläuterte.

Im Zentrum standen dabei zwei der insgesamt 15 „Rosenkreuz-Sonaten“ des böhmischen Komponisten Heinrich Ignaz Biber. Sie stellten zugleich den Höhepunkt des Konzertes dar, mit wagemutigen Finessen, furiosen melodischen Einfällen und effektvollen Tempi. Und gerade die Sonate Nr. 10 „Kreuzigung“ gestaltete sich als Parforce-Ritt durch das Notengetümmel. Eine phantastische Erfahrung, die die Musiker mit Bravour darstellten und ins Publikum überfließen ließen.

Waren ausgezeichnet aufeinander eingespielt: Jörg Jacobi und Veronika Skuplik

Schon bei Tanzsätzen eines anonymen Meisters aus dem Bereich des mährischen Kremsier hatte Veronika Skuplik umgestimmt. Die sogenannte Skordatur – eine von der Norm abweichende Stimmung eines Saiteninstruments, die u. a. neue Klangmöglichkeiten eröffnet -, machte etwa bei der „Kreuztragung“ aus Bibers Rosenkranzsonaten die bedeutungsschwere Tiefe des biblischen Geschehens nahbar.

Als Dankeschön überreichte Pastor Siek Postma den beiden Musikern ein Buch

Von der Orgel gab es einige Soli, die zeigten, welch große Stimme das kleine Instrument entwickeln kann. Bei Carlo Pollarolas „Preludio & Sonata Terzo tuono“ entstand eine bewegte Musik von stark rhythmisierender Wirkung. Bei der „Sonata 21 in a“ eines weiteren Anonymus stellt die Orgel eine meditative Grundstimmung her, auf der die Geige dann munter tanzte.

Ein Blick über die Schulter des Organisten zeigt das füllige Notenbild der Barockmusik

Als Zugabe nach der aufwühlenden „Kreuzigung“ erklang eine ebenfalls anonym überlieferte meditative Musik, die einen scharfen Kontrast zum Konzertbeginn herstellt, bei dem Luthers „Aus tiefer Not schrei ich zu Dir“ erklungen war. Damit aber gelang es den Musizierenden bravourös, den ganzen emotionalen Umfang des Passionsgeschehens extrem verdichtet zu umgreifen.