„Das ist harter Tobak!“
Das Theater am Ostfriesischen Landesmuseum bereitet ein neues Schauspiel vor
Emden. Das Theater-Ensemble „Die Rampe“ gibt es nicht mehr, und dessen Initiator und ständiger Regisseur Werner Zwarte ist vor einem Jahr gestorben. Dennoch geht es weiter. Denn Zwarte hinterließ den Wunsch, das Konzept, ostfriesische Geschichte mit Spielern aus der Region auf die Bühne zu bringen, fortzusetzen. Dafür hat er selber Oberbürgermeister Tim Kruithoff und den leidenschaftlichen Bühnenakteur Jann Aden als Regisseure für das Theater am Ostfriesischen Landesmuseum bestimmt.

Das Stück, das nun auf dem Plan steht, trägt den Titel „Das Rote Kleid“. Geschrieben hat es – wie schon vier Vorgängerstücke – Ilse Frerichs, hauptberuflich Leiterin der Abteilung Bildung und Vermittlung im Ostfriesischen Landesmuseum. Sie befasst sich schon seit Jahren mit unterschiedlichen Themen der Emder Stadtgeschichte, personalisiert und verdichtet sie zu dramatischen Theaterstücken. „Ich liebe das und möchte es auch künftig weiterhin machen.“
Gleichwohl bekennt Ilse Frerichs bei der Pressekonferenz im Festspielhaus am Wall, dass sie „ganz aufgeregt“ sei, denn es läge „ein langer Weg“ hinter ihr. Ein Jahr dauerte die Recherche, dann folgten zwei Monate, in denen sie sich an den Schreibtisch zurückzog und den Stoff bearbeitete. Die Richtung hatte dabei Kruithoff vorgegeben, der anregte, sie möge doch einmal prüfen, ob es nicht „eine starke Frau in der jüngeren Geschichte Emdens“ gäbe, die sich als Protagonistin für ein Stück eigne. „Ich habe sieben Frauen gefunden“, konnte Ilse Frerichs bald vermelden.

Was Frerichs gefunden hatte, waren Frauen, die aktiv der Emder Kommunistischen Partei angehörten: Josephine Birth, Johanna Brandes, Liselotte Grimpe, Anna Janssen, Emma Lichtnow, Marie-Louise Loop und Aaltje Staub. Die KPD war ab 1933 verboten worden. Am 1. Oktober 1938 wurden insgesamt 60 Urteile über Mitglieder und Sympathisanten aus Emden gesprochen. Die genannten Frauen gehörten zu den Verurteilten. Während der Haftzeit wurde ihnen die körperlich schwerste Arbeit zugemutet. Man misshandelte sie aber auch psychisch.
Als sie nach dieser Zeit – belastet mit Haftschäden und Traumata – Ansprüche auf Entschädigung geltend machen wollten, wurden ihnen wieder Steine in den Weg gelegt. „Man hat ihnen also doppeltes Unrecht angetan“, so Tim Kruithoff – erst die Verhaftung, dann die Verweigerung von Entschädigungen. Das sei auch kein Wunder gewesen, denn vielfach hätten sich immer noch dieselben Personen in den Behörden befunden wie in den Kriegsjahren.
Ilse Frerichs konnte die Fakten aus Aktenstücken und den Berichten von Zeitzeugen entnehmen. Ähnlich wie bei dem Vorgängerstück „Melanie Schulte“ wird das Thema in Szenen dargestellt, die schlaglichtartig die Schicksale der Frauen während und nach der NS-Zeit beleuchten.
Einen „Roter Faden“ bildet dabei das Kleid, das in zweifacher Form auftaucht. Zum einen wird der Fund einer roten Fahne – Zeichen subversiven Widerstandes gegen die Nazis – mit dem Hinweis gekontert, es handle sich um den Stoff für ein rotes Kleid, das eine der Frauen für ihre Enkelin zu nähen gedenke. Zum anderen taucht es bei einer schwer misshandelten Frau im Gefängnis auf, deren Blut den Stoff ihres Kleides rot färbt.

Das Stück sei „inhaltlich nicht so plakativ wie „Melanie Schulte“, erweise sich aber „als inhaltlich stark“, merkte Tim Kruithoff an – und er moniert, dass es bis heute keinerlei Würdigung für diese Frauen gäbe. Ilse Frerichs freut ich vor allem darüber, wie leicht es war, das Ensemble zusammenzufinden. Immerhin benötigt sie 35 Spielerinnen und Spieler sowie einige Statisten, um „Das Rote Kleid“ auf die Bühne zu bringen.
Diese Bühne ist das Festspielhaus am Wall, wo das Stück im September fünfmal aufgeführt werden soll – auch im Gedenken an Werner Zwarte. Die gedankliche Verbindung zu dem einstigen BBS II-Pädagogen und Regisseur bestehe immer noch. „Ich frage mich oft: Wie wäre Werner mit diesem oder jenem Problem umgegangen“, sagte Ilse Frerichs. Und bis jetzt habe sie immer das Gefühl, dass es da eine Antwort gäbe, die den anspruchsvollen Spielleiter zufriedengestellt hätte. Zudem habe man engen Kontakt zu einer Zwarte-Tochter, die auch die erste gewesen sei, die das Manuskript gelesen habe.

Für die Spielerinnen und Spieler ist das Stück eine Herausforderung. „So eine KZ-Szene zu spielen, das ist schon heftig“, versichert Astrid Junghoff, die eine der sieben Frauen spielt. Und auch Kruithoff spricht davon, wie viel Überwindung Hitlergruß und das Sprechen der Formel „Heil Hitler“ kosten. „Das ist harter Tobak.“ Daher werde bei den Proben viel miteinander gesprochen, um solche Momente zu verarbeiten. Bewusst sei dabei stets, dass das alles ja keine Fiktion, sondern historische Realität gewesen sei.
Es sei schon etwas Besonderes, das in Emden passiere, resümierte Kulturevents-Chefin Kerstin Rogge-Mönchmeyer. Dass Stadtgeschichte auf einem derart hohen Niveau bühnengerecht umgesetzt werde, könne man nicht mehr als Amateurtheater bezeichnen. Besonders fasziniert sei sie auch davon, dass mit Ilse Frerichs jemand vor Ort sei, der solche anspruchsvollen Texte überhaupt schreiben könne. Und KUNST-Vorstand Gregor Strelow staunt, dass er von diesen Vorkommnissen bisher noch nie etwas gehört habe.
► Aufführungstermine: 12. / 13. / 14. / 24. und 26. September jeweils 20 Uhr im Festspielhaus am Wall.
► Karten gibt es ab dem 24. April für 25 Euro (erm. 13 Euro) beim Ticketservice von Kulturevents am Alten Markt und bei Reservix
► Das Theaterstück ist Teil des Begleitprogramms zur nächsten Ausstellung des Ostfriesischen Landesmuseums mit dem Titel „Freiheit? – Mit Recht!“