Eröffnung mit dem „Orpheus von Amsterdam“

Uttum. Der 22. Krummhörner Orgelfrühling ist eröffnet. Der erste Abend fand traditionell in der Kirche zu Uttum statt und stellte die Orgel eines Anonymus aus dem Jahr 1660 in den Mittelpunkt. Dies geschah in einem Konzert von Sietze de Vries, der Werke des Organisten und Komponisten Jan Pieterszoon Sweelinck ((1562 bis 1621) zu einem prächtigen Programm zusammenstellte.

Das Szenario am Eröffnungsabend in Uttum: die Orgel von 1660 mit Organist Sietze de Vries, das Publikum und – ganz rechts – das Organisationsteam mit dem künstlerischen Leiter Pastor Siek Postma. Bilder: Wolfgang Mauersberger

Sietze de Vries nutzte ein interessantes Konzept, um sein Konzert spannend zu gestalten. Er wählte Werke Sweelincks aus einer Zeit aus, als sich in Amsterdam der Wandel vom Katholizismus zur Reformation vollzog. Sweelinck war damals Organist an der Oude Kerk, komponierte aber auch. Somit kamen die Besucher in den Genuss einer musikalischen Konfrontation zwei Konfessionen: Gregorianik contra Psalter.

Sie erhielten zugleich aber auch Einblick in ein Musikerleben der Barockzeit. Es galt nämlich, in der Kirche ganz bestimmte Aufgabenfelder zu erfüllen. Der sonntägliche Gottesdienst galt geistigen Werken. In der Woche aber spielte Sweelinck auf der Orgel reine Unterhaltungsmusik – vor allem Volkslieder in Variationen und Improvisationen.


Unterstützt wurde Sietze de Vries von Aurora Herrero Fernández, Violinistin und Hornistin, die der klangvollen Stimme der Uttumer Orgel vielfältige differenzierte Akzente hinzufügte.

Der kraftvolle Beginn des Konzertes mit einer Toccata in C zeigte, dass die einmanualige Orgel mit ihren neuen Registern sich auch ohne Pedal durchaus in dem Kirchenraum zu behaupten weiß. De Vries entwickelte leuchtende Klänge, die so recht zu einem Eröffnungskonzert passten. Dann folgte eine Mahnung, die zeigte, dass die Zeiten nie wirklich gut waren – weder damals noch heute: „Da Pacem, Domine, in diebus nostris“ – Gibt Frieden, Herr, in unseren Tagen“.

Aurora Herrero Fernández setzt im Spiel von Sietze de Vries mit ihrer Violine klangliche Akzente

Zwei Volkslieder standen für den Bereich der „Unterhaltungsmusik“: „Unter der Linden grüne“ und „Kein schöner Land“, das eine durch Sweelinck versehen mit Variationen, das andere als Improvisation gestaltet, die de Vries mit delikatem Einfühlungsvermögen gestaltete. Die einfachen Lieder schwangen sich unter den Händen des Komponisten zu prächtger klanglichen Reizen auf. Das war Hörgenuss der fröhlichen Art, die auch der 365 Jahre alten Orgel bestens zu Gesicht stand.

Zwei Psalmen standen für eine Zeit, in der Sweelinck aus dem sonntäglichen Dienst verbannt wurde, weil die Gemeinde den Genfer Psalter ohne Begleitung a capella sang. Der Komponist fand den Psalter aber so attraktiv, dass er ihn vertonte. Und Sietze de Vries, ein großer Improvisateur, entwickelte aus dem Stand schönste Spontanmusik dazu. Das war großartig, weil man qualitativ kaum einen Unterschied zur musikalischen Welt des großen „Orpheus von Amsterdam“ feststellen konnte. De Vries spielte virtuos mit dem Notenmaterial, setzte es neu zusammen, fügte Ausschmückungen hinzu, blieb aber immer in der Gedankenwelt des barocken Komponisten.

Mitglieder des Organisationsteams: Siek Postma, Edda Wagenaar, Stefan Stürenburg, Amke Postma und Jan-Hendrik Holzkämper

Der künstlerische Leiter des kleinen Festivals, Pastor Siek Postma, der kurz in den Lebenslauf des Komponisten eintauchte, machte deutlich, dass Sweelinck schließlich zum bestbezahlten Organisten der Niederlande wurde. Seine Schüler, die aus ganz Europa nach Amsterdam strömten, habe er aber nicht nur unterrichtet, sondern vermutlich auch Impulse ihrer Musik in sein Werk aufgenommen.


Das Konzert endete mit vier Variationen des Chorals „Vater unser im Himmelreiche“ und einer gewaltigen Improvisation dazu, die den Charakter eines musikalischen Ausrufezeichens in sich barg. Riesenapplaus für Sietze de Vries und die spanische Violinistin und Hornistin Fernández!

Liebgewonnene Gewohnheit: Heinrich Beninga bietet den Besuchern Bonbons an

Eingangs hatte Gemeindepastorin Barbara Wündisch-Konz die Wirkung der Musik auf Herz, Geist und Seele beschworen. Der Präses des Synodalverbandes Nördliches Ostfriesland, Pastor Frank Wessels, deutete mit Blick auf den 22. Orgelfrühling diese Zahl als Symbol für Visionen, Meisterschaft und die Fähigkeit, Großes zu erschaffen.