Da wird Musik zum Ereignis
Pewsum. Wie oft mögen die vier Instrumentalisten des Vogler-Quartetts dieses Musikstück von Joseph Haydn schon gespielt haben? Dieses letzte seiner Quartett in F-Dur mit der nüchternen Opus-Zahl 77/2 Hob. III:82? Aber darauf kommt es eigentlich nicht an. Es kommt darauf an, die versammelte Erfahrung zu bewundern, die die „Voglers“ hier demonstrieren. Die Ernsthaftigkeit, mit der die Musik als Wert an sich wahrgenommen wird.

Kein Abnudeln, dafür hohe Wertschätzung, vielleicht auch eine gewisse Ehrfurcht vor dem Werk eines Komponisten, das „keine Altersschwäche erkennen lässt“, wie der Geiger und Namensgeber des Quartetts, Tim Vogler, es nennt. Haydn brachte das Ensemble also keinesfalls an irgendwie geartete Grenzen. Locker, fast beschwingt, wurde musiziert, und der Charakter der Kammermusik legte sich über das Auditorium in der frisch renovierten Nicolai-Kirche zu Pewsum.

„Wir mögen es sehr“, lautete der Kommentar von Tim Vogler zum folgenden Stück. Es war „Im Andenken“ der zu dem Zeitpunkt 27-jährigen Komponistin Sarah Nemtsov. Sie hat ein Fragment von Franz Schubert in seine Bestandteile zerlegt, mit den Mitteln zeitgenössischer Musik neu zusammengesetzt – zudem das ganze mit einer Schluss-Sentenz von hinreißender Fragilität und gläserner Klarheit auf der Basis von Schuberts Tönen hinzugefügt. Ein berauschendes Ereignis, von dem man ohne weiteres verstehen mag, dass das Ensemble davon fasziniert ist. Das Publikum war es auch.

Gigantisch entfaltete sich der Schlussteil des Abends – Cesar Francks „Quintett f-Moll für Klavier, zwei Violinen, Viola und Violoncello“ zeigte ein Vogler-Quartett in vollster Konzentration mit erruptiven Momenten und explosiver Wirkkraft. Dazu trug auch Pianist Alexander Schimpf bei, der die wuchtige Struktur des Klavierparts mit Leidenschaft mittrug und das kraftvolle Werk mit zur Vollendung brachte. Dabei wurde deutlich, wie sehr der fortlaufende Druck, den die Komposition erforderte, zur Leitlinie einer musikalischen Gestaltung wurde, die nur zu gerne die Herausforderungen annahm.
Großer Beifall beendete diesen Kraftakt, den Tom Vogler (Violine), Frank Reinecke (Violine), Stefan Fehlandt (Viola), Stephan Forck (Violoncello) und Alexander Schimpf (Klavier) bestritten. Da wird Musik zum Ereignis, aber auch zum Statement einer französischen Musik, die aus dem Ursächlichen schöpft.