„Das braust mächtig los!“
Riepe. Mit Gottesdienst, Empfang und Konzert ist am Sonntag (25. Mai) die Orgel der evangelisch-lutherischen Kirche zu Riepe wieder eingeweiht worden. Dabei erklärte Orgelbauer Kristian Wegscheider (Dresden) die Funktionsweise eines solchen Instrumentes und Orgelrevisor Landeskirchenmusikdirektor Winfried Dahlke stellte die Orgel mit einem Konzertprogramm vor, das darauf angelegt war, alle Klangfarben und Register des erneuerten, sanierten und erweiterten Instrumentes vorzustellen.

Das Orgelprojekt in Riepe hat ein Gesamtvolumen von 540 000 Euro und dauerte rund fünf Jahre. Schon 2019 hatte Orgelrevisor Winfried Dahlke Handlungsbedarf angemeldet, weil Pfeifen von Bleifrass befallen waren. Auch der Organist der Gemeinde, Heere Wurpts, meldete Schäden. So sprachen die Töne im angehängten Pedal nicht mehr an, Pfeifen waren unter ihrem eigenen Gewicht regelrecht eingesackt, Bauteile der Orgel, die im Zuge einer Sanierung in den 1980 und 90er Jahren aus Kunststoff eingebaut worden waren, zerbröselten. Am 17. September 2020 stand in der Gemeinde der Entschluss fest: Es sollte ein Projekt gestartet werden, um die finanziellen Mittel für eine Orgelrestaurierung einzuwerben. Riepe wollte eine neue alte Orgel.

Die Orgel von 1795 hat eine Geschichte, die es möglich machte, Bundesmittel abzuschöpfen. Es gab nämlich einen Altbestand, der tatsächlich noch von Orgelbauer Johann Friedrich Wenthin (1746 bis 1805) stammte. Dazu gehörte das Gehäuse, das mit der aufwändig gestalteten Emporenbrüstung korrespondiert, und die Pfeifen im Prospekt der Orgel. Dem gegenüber stand eine quasi eigenständige Orgel, die von der Werkstatt Alfred Führer hinter das alte Instrument gebaut worden war. Und eben dieser Bereich bereitete die oben genannten Probleme.
Ein Anliegen der Gemeinde war es, die Führer-Orgel vollständig zu entfernen und die Wenthin-Orgel im Sinne ihres Schöpfers zu Ende zu bauen. Wenthin hatte nämlich die Riepster Orgel nur rudimentär fertigstellen können. Es fehlte der obere Bereich, das sogenannte Oberwerk. Es fehlte ein Pedalwerk, und es fehlten auch Register, also Instrumentengruppen, die sich Wenthin zwar gewünscht hätte, die er aber – vermutlich aus finanziellen Gründen – nicht hatte realisieren können.

Die Suche nach einem Orgelbauer, der all diese Arbeiten bewältigen konnte, führten zunächst nach Loga. Doch die Orgelbauwerkstatt Ahrend hatte die Auftragsbücher voll, die Wartezeit wäre zu lang gewesen und auslaufende Förderprogramme des Bundes schufen einen hohen Druck bei den Verantwortlichen in der Gemeinde. Die Auftragsvergabe an Orgelbaumeister Rowan West im Ahrtal wurde durch die Überschwemmung von 2021 verhindert. Die Suche nach einer Werkstatt, die die Fähigkeit zur Durchführung der Arbeiten hatte und die zudem über ein entsprechendes Zeitfenster verfügte, führten schließlich nach Dresden zu der 1989 gegründeten Orgelbauwerkstatt von Kristian Wegscheider.
Das Projekt wurde in drei Teilsanierungen aufgegliedert. Immer wieder musste geschaut werden, wie weit die Finanzen reichten. Denn zu der geplanten Restaurierung und Rekonstruktion der Wenthin-Orgel gesellten sich weitere Wünsche: das Oberwerk sollte ausgeführt , ein eigenständiges Pedal integriert werden. Und als sich immer mehr Spender, darunter auch Firmen und Privatleute, einfanden – konnte die Bestellung für einen „Vogelsang“, eine zwitschernde Nachtigallenstimme, und für die beiden Zimbelsterne mit ihrem Glöckchenklang aufgegeben werden. Die Förderung durch den Bund, durch Stiftungen, Unternehmen und von privater Seite, sowie der Verkauf der Führer-Orgel an eine Gemeinde in Arnis / Schlei ermöglichten schließlich die Erfüllung aller Wünsche.

Im November 2023 wurde die Wenthin-Orgel komplett abgebaut und nach Dresden transportiert, wo die Arbeiten erfolgen sollten. Inzwischen galt es, den Kirchenraum in Riepe zu renovieren. Aufsteigende Feuchtigkeit hatte die Wandfarben durch Auskristallisation abgelöst. „In solch einer feuchten Umgebung wollten wir die neue Orgel nicht wieder einbauen lassen“, sagte der Orgelbeauftragte der Gemeinde, Uwe Endjer, nach dem Festakt. Das Timing stimmte. Die Orgel kam im Januar 2025 zurück und wurde Stück für Stück aufgebaut. Ende März erklang sie das erste Mal mit vollem Klang im Rahmen der offiziellen Abnahme.
Und nun der Festakt für die Wenthin-Wegscheider-Orgel. Die alte Orgel habe über zehn Register verfügt, die man nun verdoppelt habe, erläuterte Kristian Wegscheider. Mehr als 1000 Pfeifen birgt das Orgelgehäuse jetzt, erklärte der Orgelbaumeister. Dazugekommen sind fünf Register im neuen Oberwerk und fünf im Pedal. „Das braust mächtig los.“ Vorbilder für einzelne Register waren die Wenthin-Orgeln in Groothusen, Wolthusen und Reepsholt. Hier gab es noch originale Register, die in Riepe fehlten. Die entsprechenden Pfeifen wurden exakt vermessen. Gerade bei den Traversflöten (Vorbild Groothusen) sei der Nachbau sehr kompliziert gewesen, sagte Wegscheider. Gänzlich neu erfunden hätten die Orgelbauer die „Vox humana“, die menschliche Stimme, die man dem Instrument unbedingt auf den musikalischen Weg habe mitgeben wollen.
Dass eine solche Orgel nicht allein der „Hochkultur“ zu dienen habe, sondern ihre Nutzung breit gefächert sein solle, machte die Präsidentin der Klosterkammer Hannover, Thela Wernstedt, deutlich. Sie verwies auch darauf, dass die finanziellen Spielräume immer kleiner würden. Angesichts dessen habe die Gemeinde Riepe mit ihren zahlreichen Initiativen gezeigt, „wie es gehen kann“.
Kristian Wegscheider zog in seinem Gruß- und Dankwort Vergleiche zwischen der Orgel und der Gesellschaft. Das harmonische Miteinander der Pfeifen in einem solchen Instrument könne Vorbild sein, für einen guten gesellschaftlichen Umgang miteinander. Die Riepster Orgel sei die 130., die in seiner Werkstatt gebaut wurde, sagte der Orgelbaumeister. Und sie bleibe im Erinnerungsbuch seines Hauses erhalten.

Pastor John Förster war es, der dem Instrument einen neuen Namen gab: sie sei jetzt die Wenthin-Wegscheider-Orgel. In den Danksagungen kam die emotionalste dem Orgelbeauftragten Uwe Endjer zu. Die Orgel hätte ohne ihn nicht so gebaut werden können, wie sie jetzt dastünde, sagte Förster. Man sei „uns Uwe“ zu tiefstem Dank verpflichtet. Endjer und der beratend tätige Orgelfachmann Albert Kretzmer hatten sich unter anderem mit den endlosen, komplexen Antragstellungen befasst.