Spannendes Konzert an friedvollem Ort
Backemoor. Hinter jedem Konzert verbirgt sich mindestens eine Geschichte. So auch in Backemoor, wo im elften Konzert des Gezeiten-Festivals das tschechische Pavel Bořkovec Quartett gastierte. Eigentlich sollte das Ensemble von zwei Hornisten begleitet werden. Doch die beiden seien vor wenigen Tagen nach einem Konzert vom Veranstalter auf dem Parkplatz angefahren worden. Natürlich ein Versehen, aber eines mit nachhaltigen Folgen, wie Matthias Kirschnereit, künstlerischer Leiter der „Gezeiten“ dem Publikum berichtete. Die beiden mussten das Gezeitenkonzert absagen. Statt dessen stand nun Felix Klieser auf der Bühne, und statt Beethovens Sextett Es-Dur gab es Mozarts Quintett in Es-Dur.

Dass Kirschnereit in einer schnellen Aktion nach Backemoor geeilt war – per Bahn und dann per Abholung aus Oldenburg – ist eine andere Geschichte. Der Pianist war im letzten Jahr Gast beim tschechischen Broumov-Festival gewesen. Seine neu gewonnenen musikalischen Freunde lud er dann gleich nach Ostfriesland ein. Da war es für ihn selbstverständlich, seine tschechischen Gäste auch persönlich willkommen zu heißen. 15 Minuten vor Konzertbeginn sei Kirschnereit dann tatsächlich vor Ort eingetroffen, sagte der organisatorische Leiter, Raoul-Philip Schmidt. Noch in der Nacht ging es zurück nach Hamburg.

Nun also ein Konzert an einem der friedlichsten Orte, die Ostfriesland bietet. Die romanische Kirche liegt inmitten eines baumbestandenen Friedhofs in idyllischer Lage. Da passte es also, mit einer Meditation zu beginnen. Allerdings bezieht diese sich auf einen wenig friedlichen Moment der Zeitgeschichte – die Zerstörung der englischen Stadt Coventry 1940. Vilém Tauský (1910 bis 2004) hat das Werk komponiert, und er nutzt keine dramatischen Effekte, sondern drückt eher in stiller Betrachtung seine Erschütterung über das Geschehen aus, das er im übrigen selber miterlebte.
160 Jahre ging es dann zurück – zu Mozarts Quintett für Horn, zwei Violinen, Viola und Violoncello. In dem die fünf Musiker so gut miteinander harmonierten, dass es gleich noch einen Satz aus einem Hornkonzert von Mozart als Zugabe gab.

Das eigentliche Schwergewicht des Abends lag jedoch bei Dvořáks sogenanntem amerikanischem Quartett in F-Dur, einem kraftvollen Stück Musik, das Ondřej Hás (Violine), Marek Blaha (Violine), Matěj Kroupa (Viola) und Štěpán Drtina (Violoncello) ausdrucksstark umsetzten und dabei eine Spielfreude erkennen ließen, die ins Publikum überging. Dieses folgte dem Werk, das auch Ausdruck der Begeisterung des Komponisten für das folkloristische Potential amerikanischer Musik ist, mit großer Spannung, die sich dann in begeistertem Applaus Bann brach.
Als Zugabe wählten die Tschechen einen Quartettsatz ihres Namensgebers, des tschechischen Komponisten Pavel Bořkovec (1894 bis 1972) und gaben damit Einblick in die modernere tschechische Musik, die sich qualitativ auf hohem Level bewegt.

An dieser Stelle ein Wort über Jan Kampmeier, der Abend für Abend in die Programme einführt und dies mit Hintergrundwissen umsetzt, gewürzt mit sehr viel Sinn für Humor und Anekdoten. Er ordnet ein, gibt auch Gegenpositionen wieder und sorgt insgesamt für Texte, die man mit Gewinn liest.