Widersprüche und Freiheit

Zum Tod von Pastor i. R. Hermann Züchner

Emden. Einmal wurde Hermann Züchner gefragt, wie er selbst sein Lebensmotto formulieren würde. Der gebürtige Ihrhover musste nicht lange nachdenken. „Ein Leben in Widersprüchen und Freiheit“, sagte der ehemalige Pastor der Evangelisch-reformierten Kirche. Das war vor gut 20 Jahren, und es hörte sich damals an wie das Resümee unter einer Biographie, die schon abgeschlossen war. Sie war es natürlich nicht.

Züchner, der in Münster, Göttingen und Basel Theologie studiert hatte, führte ein vielgestaltiges Leben, dass stark um Menschen kreiste. So war er schon als Vikar 1958/59 eigenverantwortlich zuständig für die Gemeinden Larrelt und Logumer Vorwerk. „Das war ein echter Härtetest.“ Später arbeitete er zehn Jahre lang Pastor in Greetsiel, wo er sich unter anderem bei der Organisation der Greetsieler Woche engagierte. Als Pastor in Wolthusen ist – eine Marginale nur, aber vielleicht doch bezeichnend für den Ostfriesen Züchner – sein heimatkundlich geprägter Gemeindebrief noch in lebhafter Erinnerung. Das Publizieren machte ihm anscheinend Spaß, denn nach seinem Eintritt in den Ruhestand 1992 kümmerte er sich noch vier Jahre lang um die Schriftleitung des reformierten „Sonntagsblattes“.

Das Soziale war Hermann Züchner ein großes Anliegen. Schon in seiner Greetsieler Zeit war er politisch tätig gewesen, bei der SPD. Diese Ambition ließ ihn Ämter in der Lebenshilfe, im Beirat der Justizvollzugsanstalt, wo er Inhaftierte besuchte und begleitete, in der „Länger-aktiv-bleiben“-Bewegung annehmen. Bei der LAB bot Züchner, zu dieser Zeit schon im Ruhestand, Computer-Kurse für Senioren an. Bei der Lebenshilfe beriet er Eltern in politischen Fragen.

In der Politik kam es zu einem Crash, als Züchner Ende der 90er Jahre aus der SPD austrat und Mitglied von Bündnis 90 / Die Grünen wurde. Züchners Begründung für diesen Entschluss benennt der einstige Chefredakteur der Emder Zeitung, Herbert Kolbe, in seinem Buch über Oberbürgermeister Alwin Brinkmann „Der Mann. Das Amt. Die Stadt“, das zu dessen 25. Dienstjubiläum erschien.

Züchner habe damals seinen Austritt damit begründet, dass er sich mit den Kürzungen im Sozialbereich nicht habe abfinden können. Dazu kam aber, dass die SPD dem Ratsherrn Züchner keinen sicheren Listenplatz bei der Kommunalwahl im September 1998 gegeben hatte. Bei den Grünen hingegen bekam er die Möglichkeit, sich zum Kandidaten für die Wahl als hauptamtlicher Oberbürgermeister aufstellen zu lassen.

Er wurde letztlich nicht zum Emder OB gewählt. Und fünf Jahre später verabschiedet sich Hermann Züchner ganz aus der Politik. Diese Arbeit habe ihn stark belastet, bekannte er später in einem Rückblick. Er habe als Ratsherr so manches Mal keinen Rat mehr gewusst.

Statt dessen arbeitete er nun weiter im sozialen Bereich – und er geht seinen Hobbies nach: der Arbeit am und mit dem Computer und dem Lesen. Leidenschaftlich gelesen hatte er schon als Kind, und diese Leidenschaft ist ihm erhalten geblieben, ebenso wie das Schachspiel, das er nicht nur selber ausübte, sondern auch unterrichtete.

Sein Leben in Widersprüchen und Freiheit ist nun zu Ende gegangen. Hermann Züchner ist am 24. Mai mit 91 Jahren gestorben.