Wettstreit zweier Genies

Weener. Barockmusik in der Georgskirche iin Weener. Das Händelfestspielorchester ist zu Gast, dazu eine Sopranistin, ein Moderator. Gestaltet ist das Programm als Wettstreit: Georg Friedrich Händel gegen Johann Sebastian Bach oder umgekehrt.

Volles Haus in der Georgskirche Weener. Bilder: Karlheinz Krämer

Beide wurden 1685 geboren, haben sich aber nie getroffen – der Weltbürger Händel und der wenig reisende Bach. Dass es dennoch ein „Gipfeltreffen“ der beiden geben sollte, war Sache des exzellenten Orchesters und seines kundigen Moderators Bernhard Schrammek, der mit Humor und tiefgreifenden Kenntnissen die beiden berühmten Musik-Genies aufeinandertreffen ließ – nur als Fiktion, aber so lebhaft ausgeschmückt, dass man die beiden im Zimmermann’schen Kaffeehaus in Leipzig förmlich beim Bier sitzen und plaudern sah – natürlich über Musik.

Die Bläsergruppe des Händelfestspielorchester

Das Händelfestspielorchester unter Leitung der 1. Geigerin Birgit Schnurpfeil, die auch als Solistin agierte, legte stilvoll los. Natürlich mit dem „Einzug der Königin von Saba“ aus Händels Oratorium „Solomon“, eine höchst lebhaft gespielte Szene von stark bildhaftem Charakter. Ohne wirklich Pause folgte – als Gegenüber – aus Bachs wunderschöner Kantate „Die Elenden sollen essen“ – die Sinfonia. Ein Vorspiel, das ebenfalls ein Entrée bedeutete, aber doch eben ganz anders: innerlicher und weit weniger pompös.

Konzentration auch bei den Streichern

Zwei langsame Arien folgten: von Händel „Lascia la spina“, von Bach „Schlafe, mein Liebster“. Und hier setzte die wundersame Stimme von Marie Luise Werneburg ein, die sich organisch im Raum ausdehnte und deutlich machte, warum die Sängerin gerade die Musik der Renaissance und des Barock zu ihrem Metier gemacht hat: Ihr Sopran ist ausdrucksstark, bleibt auch in den Spitzen ganz natürlich und gibt dem Gesang einen Anschein Selbstverständlichkeit – so und nicht anders sollten barocke Kantaten und Arien heute klingen – graziös, anmutig und fein ausbalanciert, die Koloraturen schön, aber nicht zu artistisch.

Bot eine ausgefeilte, kenntnisreiche und humorvolle Moderation: Bernhard Schrammek

Die Instrumentalisten des verhältnismäßig kleinen Orchesters waren außerordentlich gut aufeinander eingespielt und zeigten sich in bester Form, um den Werken beider Komponisten gerecht zu werden. Violinen, Bratschen, die beiden Cello und der Kontrabass spielten auf Darmsaiten, das Cembalo agierte dezent und doch sehr spürbar, die wunderbaren Bläser nutzten historische Instrumente, so dass das Klangerlebnis vollkommen war. Die energiesprühende Birgit Schnurpfeil leistete Enormes, indem sie immer wieder solistisch tätig wurde. Kein Wunder, dass Bernhard Schrammek irgendwann mit Blick auf Bach und das Orchester in das Lob ausbrach: „Ich geh auf die Knie vor dieser Komposition – und vor Euch.“


Was hatte ihn so entzückt? In der Arie „Heil und Segen“ aus der Kantate „Gott, man lobet dich in der Stille“ hat Johann Sebastian Bach über den komplexen Orchester-Part eine komplizierte Stimme für Violine solo gelegt und dies getoppt mit der delikaten Notierung für Singstimme. All dies gestalteten das Händelfestspielorchester mit Konzertmeisterin Birgit Schnurpfeil und Marie Luise Werneburg zu einem musikalischen Erlebnis.

Leitete das Ensemble und agierte als Solistin: Violinistin Birgit Schnurrpfeil

Der Schluss des Konzertes war gedoppelt: eine Quvertüre von Bach (Nr. 1 C-Dur, BWV 1066) und einige Suiten von Händels „Wassermusik“ (Suite 1, F-Dur, HWV 348) verschränkten sich aufs Schönste miteinander und ließen zum Schluss die Frage offen: Wer hat den Wettstreit der beiden großen Künstler denn nun gewonnen? Eine solche Entscheidung bleibt wohl den Vorlieben jedes einzelnen überlassen. Aber nach einer – natürlich – doppelten Zugabe war sich das Publikum sehr einig: Gewonnen hatte die Musik des Barock, die an diesem Abend mit Sicherheit viele neue Freude bekommen hat.

Die beiden Zugaben: Bach, aus der Kirchenkantate „Meine Seel erhebt den Herren“ die Arie „Herr, der du stark und mächtig bist“. Händel, aus dem Oratorium „Theodora“ die Arie „Angels ever bright and fair“.