… in etwas Erhabenes verwandelt

Emden. Die Johannes a Lasco Bibliothek zeigt eine neue Ausstellung zum 30-jährigen Bestehen des Hauses. „Highlights aus sechs Jahrhunderten“ stellt Lieblingsstücke in den Mittelpunkt, sagte Kurator Dr. Klaas-Dieter Voß. Es sind Objekte, die während der Ausstellungen der vergangenen drei Dezennien eine Rolle gespielt haben – Gemälde, Silber, zeitgenössische Grafik, Handschriften, historische Bücher – Unikate von hoher Qualität, die schlaglichtartig Vergangenheit, Gegenwart, aber auch die Zukunft miteinander verknüpfen, sagte Voß und verwies exemplarisch auf die Anfänge der als „Bibliothek der Großen Kirche“ bekannten Sammlung.

Lange Fahnen im Chor zeigen an: die Ausstellung „Highlights aus sechs Jahrhunderten“ ist vielfältig aufgestellt und zeigt Silber, Gemälde, Bücher und Handschriften

Die hatte 1559 der Kirchenälteste Gerhard tom Camp begründet, als er seine Privatbibliothek der reformierten Gemeinde vermachte. Aber auch der Theologe und Reformator Albert Ritzaeus Hardenberg (1510 bis 1574) hinterließ mehr als 520 Schriften, die der Bibliothek zukamen – darunter drei Bücher aus dem Besitz des Erasmus von Rotterdam. Aber auch Bücher aus dem Kloster Aduard kamen mit Hardenberg nach Emden – eine bedeutsame Angelegenheit, denn die Bibliothek des Klosters, von dem 1231 die Gründung von Kloster Ihlow ausging, verbrannte 1580. Die Hardenberg-Sammlung – als einzige Gelehrten-Bibliothek aus der Mitte des 16. Jahrhunderts in Nordwestdeutschland fast vollständig erhalten – wurde inzwischen im Rahmen eines DFG-Projektes an der Johannes a Lasco Bibliothek vollständig digitalisiert.

Ein anderer Bereich der Ausstellung widmet sich der Armenfürsorge, die aus der Vergangenheit bis in die Zukunft reicht, weil die Diakonien sich über Jahrhunderte erhalten haben. Zu den gezeigten Schaustücken gehören auch die Schlüssel der Clementiner-Bruderschaft, die erst vor wenigen Tagen um ein weiteres Exemplar aus Privatbesitz erweitert wurden (KiE berichtete: https://www.kultur-in-emden.de/2025/06/24/wenn-familiengeschichte-zur-stadtgeschichte-wird/).

Aquarellskizze der Großen Kirchenruine von Heinrich Wehkamp, 1981

Aus der Sammlung von Bernhard Brahms (1929 bis 2019) stammt ein Teeservice der Manufaktur Wallendorf „Rot und Blau Dresmer“. Von dem Künstler, Typographen und Grafiker Otto Rohse (1925 bis 2016), der das neue Gebäude innerhalb der Ruinen der Großen Kirche einst als „ein zartmächtiges und charaktervolles Gehäuse“ bezeichnet hatte, werden Arbeiten gezeigt. Die Johannes a Lasco Bibliothek bewahrt – neben dem Germanischen Nationalmuseum und dem Gutenberg Museum Mainz eine große Sammlung seiner Arbeiten, sowie die original Kupferplatten und Holzstöcke. Ebenso befindet sich das Archiv der Raamin-Presse von Roswitha Quadflieg seit 2003 im Haus.

Ein Beispiel für die Wirkungen der Vergangenheit in die Zukunft bedeutet eine Armillarsphäre, ein astronomisches Gerät, das in der Ausstellung „Wandel des Weltbildes“ gezeigt wurde, das zugleich aber für das aktuelle Forschungsprojekt der Bibliothek steht, den „Sozinianischen Briefwechsel“.

Die Johannes a Lasco Bibliothek in einem Panorama-Bild des Fotografen Karlheinz Krämer

Auch der FrauenOrt Emden wird in der neuen Ausstellung, die bis zum 14. Dezember zu sehen ist, thematisiert. Die mennonitische Kirchenhistorikerin Antje Brons (1810 bis 1902) wird mit einer Dauerausstellung gewürdigt, die unter anderem auch Einblicke in ihre Lebenszeit gibt, sie aber auch als sehr aktive, zukunftsgewandte Frau zeigt.

Die Eröffnung der Ausstellung war verbunden mit einer Sonntagsmatinée, deren anregendes Programm ebenso souverän die Jahrhunderte durchschritt wie die Ausstellung die gegenständlichen Schönheiten der letzten sechs Jahrhunderte präsentiert. Dabei gab es auch eine Besonderheit im abschließenden Werk. Henry Purcells strahlend heitere Ode zum Geburtstag von Königin Mary 1694, betitelt „Come Ye Sons of Art“, enthält das Duett „Sound the Trumpet“, das Vilma Pigagaite (Sopran) und Dorothea Ohly-Visarius (Alt) nicht nur wunderbar interpretierten, sondern auch mit einer Improvisation zum klangvollen Ende brachten. Instrumental begleitet von Isabel Röbstorf (Blockflöte) und Gvaneta Betaneli (Gitarre) streifte die Matinée Vokal- und Instrumentalmusik des 16. bis 20. Jahrhunderts.

Sie eröffneten die neue Ausstellung: Dr. Klaas-Dieter Voß, Isabel Röbstorf, Gvaneta Betaneli, Johann Saathoff, Vilma Pigagaitė, Dorothea Ohly-Visarius und Professor Dr. Kęstutis Daugirdas

Gast der Eröffnung war Johann Saathoff (MdB). Der gebürtige Emder erinnerte in seinem Grußwort an seine Kinder- und Jugendjahre, als er mit der Großmutter die damalige Ruinenstätte der Großen Kirche besuchte, und später im Unterricht an der Emsschule das Diakonen-Portal abzeichnete. Dieser Ort sei nicht allein Mahnmal gegen den Krieg gewesen, sondern habe in der Historie Emdens auch für einen Zufluchtsort gestanden. Mit dem Wiederaufbau sei die Wissenschaft in die Mauern eingezogen. Saathoff erinnert an Walter Schulz (1955 bis 2019), dem es zu verdanken sei, dass die Bibliothek an ihre ursprünglichen Ort zurückkehren konnte. Er sei allerdings bei diesem Projekt nicht allein gewesen, sagte Saathoff, und nannte exemplarisch Alwin Brinkmann und Johann Bruns als Unterstützer der Idee, die dazu geführt habe, dass Emden nun über eine „gute Stube“ verfügen dürfe.

Der wissenschaftliche Vorstand der Bibliothek, Professor Dr. Kęstutis Daugirdas, betonte in seiner Begrüßung – schon mit Blick auf das 30-jährige Bestehen des Hauses, das im November gefeiert wird -, dass es ein „kreativer Kraftakt sondergleichen“ gewesen sei, eine „mit Gestrüpp bewachsene Ruine in etwas Erhabenes zu verwandeln“. Das sei das Werk „tatkräftiger, visionärer Persönlichkeiten“ gewesen, sagte Daugirdas und benannte den Gründungsdirektor der Johannes a Lasco Bibliothek, Walter Schulz, und seinem „kongenialen Partner, den Architekten Jochen Bunse, dem es leider nicht mehr vergönnt war, die Fertigstellung zu erleben“.

Daugirdas verwies auch auf die große Zahl an Förderern und Geldgebern, die damals zum Aufbau der Bibliothek und heute zu ihrer Modernisierung beigetragen haben. So habe der Bund allein 50 Prozent der Gelder für die Renovierung des Hauses 2024/25 zur Verfügung gestellt.

► Die Ausstellung „Highlights aus sechs Jahrhunderten ist bis zum 14. Dezember zu sehen.
► Öffentliche Führungen finden an jedem Sonntag um 14.30 Uhr statt
► Individuelle Führungen nach Voranmeldung: Tel. 0 49 21 / 9 15 00 oder lasco@jalb.de
► Eintritt: sechs Euro, Führung: Eintritt plus zwei Euro.