Kunst vermittelt neue Bedeutungsebenen

Emden. Eine Ausstellung über Jüdische Friedhöfe in Ostfriesland ist in der Martin-Luther-Kirche eröffnet worden. „Im Schatten der Bäume“ hat aber auch Dependancen in der Sparkasse Am Delft und auf dem Jüdischen Friedhof in der Bollwerkstraße, wo Skulpturen und Installationen zu sehen sind. Begleitet wird die Veranstaltung von einem kleinen Kulturprogramm. Die Ausstellung dauert bis zum 28. September.

Bei der Eröffnung erläuterte die freie Kunsthistorikerin Sarah Byl, dass ein Teil der Werke eigens für die Ausstellung geschaffen wurden, während andere Teil des künstlerischen Oeuvres einzelner Künstler seien. In jedem Fall aber wird der Besucher tief in jüdische Riten eingeführt.

Jael A. Benar „Le chol isch jesch schem“, Frottage

Jael A. Benar arbeitet als Bildhauerin im abstrakten Bereich. In der Luther-Kirche zeigt sie Stoffreste für „Kriah“, eine Tradition, ein Kleidungsstück zu zerreißen, wenn man einen geliebten Menschen verloren hat.

Michael Becker, der sich sozialkritischen Themen widmet, zeigt unter anderem eine Tafel in Spachteltechnik, Öl und Acryl auf Leinwand, die er „Der Väter Erbe nennt“. Das seien „zwei Weltkriege und barbarische Diktaturen, deren Hinterlassenschaft Leid, Not und Tod“ seien.

Imke Kreiser, die in Spetzerfehn lebt und arbeitet, stellt unter dem Titel „Übungen in Vergänglichkeit“ Blätter-Porträts aus. Diese erinnerten an die Bäume der ehemaligen Laubhütte der israelitischen Gartenbauschule in Hannover Ahlem, die im März 1945 als Hinrichtungsstätte genutzt wurde. Daran anknüpfend assoziiert die Künstlerin Gedanken an Tod und Massenmord.

Gina Sossna-Wunder „Exodus. Flüchtende“, Mischtechnik auf Leinwand

Christiane Mamok aus Wuppertal begibt sich in ihrer Arbeit auf „Spurensuche nach dem verborgenen Potential alltäglicher Gegenstände“. Durch Umfunktionieren und Anstraktion löse sie diese aus ihren Kontexten und schaffe neue Bedeutungsebenen. In diesem Fall sind es Füße, die sie aus Karton geformt und mittels kolorierter Kohlezeichnungen mit Menschenbildern bemalt hat. „Zwei Füße ein Weg“ benennt sie ihr Objekt.

Herbert Müller aus Fehnhusen hat sich schon zwischen 1992 und 2006 mit jüdiischen Friedhöfen beschäftigt – veranlasst durch Nachrichten von Friedhofsschändungen. Seine Aquarelle zeigen gedeckte Töne und gewinnen ihre Eindringlichkeit aus der Schlichtheit der Darstellung von Stein und Baum. „Künstlerische Dokumentation“ nannte Sarah Byl diese Arbeiten.

Michael Becker „Hier ruht ein Mensch“, Collage auf Leinwand

IngOhmes lebt in Freiburg und Rysum. Sie zeigt einen dreiteiligen Siebdruck-Zyklus „Bevor die Erinnerung verblasst“, in dem sie das Bild eines jüdischen Friedhofs sowohl farblich als auch bildräumlich immer weiter reduziert. Der aktuellen Arbeit von 2025 steht eine Serie von Drucken gegenüber, in denen sie ein Gedicht von Alfred Margul-Sperber künstlerisch kommentiert.

Michael Schildmann fotografiert seit 1989 jüdische Friedhöfe. Von ihm stammt das titelgebende Werk der Ausstellung „Im Schatten der Bäume“, das auf dem jüdischen Friedhof Leer aufgenommen wurde. Dort entdeckte er auch einen bunten Stein auf grauem Grab. „Auch ich war hier“ lautet der Titel dieser Fotografie von 2025.

Gina Sossna-Wunder beschäftigt sich mit dem hebräischen Begriff für Friedhöfe „Beth Olam“, was mit „Haus der Ewigkeit“ übersetzt wird. Sie übernimmt den Begriff wörtlich – zum Beispiel in ihrer Installation mit Maulbeer-Seidenkokons, die die Namen von Toten vom jüdischen Friedhof in Emden tragen. Auch eine Darstellung der brennenden Emder Synagoge stellt sie aus.

IngOhmes „Hoffnung – Es werde Licht“, Collage, 2025

Landschaftspräsident Rico Mecklenburg betonte, jedes der ausgestellten Werke sei ein Gesprächsanlass. Oberbürgermeister Tim Kruithoff erinnerte an die Gepflogenheit, jüdische Friedhöfe der Natur zu überlassen. Als „Haus der Ewigkeit“ werde jede Grabstelle auf Dauer angelegt. Bei Besuchen hinterlasse man keine Blumen, weil diese vergänglich seien, sondern kleine Steine als Zeichen der Beständigkeit.

Der Friedhof in Tholenswehr, deutlich älter als der 1703 eröffnete Friedhof in der Bollwerkstraße, sei im Zuge von Straßenarbeiten 2021/22 mit Hecke und Tor geschützt worden. Bei den Arbeiten gefundene Gebeine seien vor wenigen Tagen in der Bollwerkstraße in einem eigenen Grab nach jüdischem Ritus neu bestattet worden, nachdem entsprechende Untersuchungen Zuordnungen zu bestimmten Individuen ermöglicht hätten. Das Mahnmal auf dem jüdischen Friedhof in der Bollwerkstraße soll saniert und erweitert werden, um weitere Namen ehemaliger Emder Juden aufzunehmen.