Prachtvoll dynamischer Saison-Auftakt
Emden. Der Auftritt hatte es in sich: groß, schlacksig, mit hochelegantem Anzug kommt Martin Stadtfeld auf die Bühne des Festspielhauses am Wall, hockt sich auf einen sehr niedrigen Klavierhocker, die Tasten fast vor der Nase, verstaut die langen Beine unter dem Flügel – und legt los: Mendelssohns Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 in g-Moll. Fasziniert beobachtet man, wie sich das Werk unter den Händen Stadtfelds entwickelt und immer schöner erblüht, wobei das Staatsorchester Rheinische Philharmonie unter einem höchst dynamisch agierenden Paul Goodwin ein wunderbarer Partner ist.

Mendelssohn soll von der Komposition nicht viel gehalten haben – er bezeichnete das Klavierkonzert als „schnell dahingeworfenes Ding, das ich fast nachlässig zu Papier gebracht habe“. Er selbst spielte es dennoch häufig, und das 19. Jahrhundert war ganz versessen auf die musikalisch reiche Komposition.
Auf einen Tipp des Orchesters hin hatte man den Emder Steinway zuvor auf die „Stadtfeld-Stimmung“ gebracht, wie der stellvertretende Betriebsleiter von Kulturevents Emden, Thorben Anders, verriet. Der normalerweise auf 442 Hertz gestimmte Flügel wurde auf 443 Hertz gesetzt, zudem einige Tasten mit Filz unterlegt. Der Effekt ist deutlich hörbar – die leichte Dämpfung sorgt für eine dunklere Tönung, eine sattere Färbung, einen höchst angenehmen Klang.
Natürlich besticht die energiegeladene Musik Mendelssohns und insbesondere das Ende, das sich furios ergießt und temporeich dahinfließt. Stadtfeld vermittelt dabei eine bestechende Mühelosigkeit und Entspanntheit, trotz der fürs Auge des Betrachters unglücklichen Sitzposition. Doch die Zusammenarbeit mir dem Orchester stimmt, und der akustische Reiz ist beglückend. Dass Stadtfeld, der sonst extrem kühl und beherrscht wirkt, sich zu einem kleinen Lächeln – und einer Zugabe – hinreißen ließ, sei ihm hoch angerechnet. Denn jetzt kam das Publikum in den Genuß der Stadtfeld’schen Kunst der Bach-Präsentation. Der 3. Satz aus dem Italienischen Konzert des Barockmeisters, erklang in höherem Tempo als selbst bei einem Presto zu erwarten war und wirkte so frisch und modern, dass man einen Augenblick zögerte, ehe man dann kapierte: Das ist tatsächlich Johann Sebastian!
Das Orchester begann mit Mozarts Haffner-Sinfonie und legte sich für das schmeichelhafte Werk mit fröhlichem Tempo, so wie Mozart es einst selber empfohlen hatte, ins Zeug. Es wird erzählt, dass Mozart beim Verfassen der Sinfonie derart in Eile war, dass er die Komposition schon nach kurzer Zeit völlig vergessen hatte und erst, als er sie selber aufführte, von ihrer schönen Wirkung angenehm überrascht war. Und so markierte Mozarts Sinfonie Nr. 35 in ihrem strahlenden D-Dur einen wirkungsvollen Auftakt des Konzertabends.
Abgeschlossen wurde die Veranstaltung mit Beethovens Sinfonie Nr. 7. und nun kamen Orchester und Dirigent ins Brausen. Die überbordende Rhythmik, die das ganze Musikstück beherrscht, veranlasste Paul Goodwin zu tanzähnlichen Schritten, und auch die Orchestermitglieder ließen sich mitreißen vom Fluß einer Komposition, die schon seinerzeit das Publikum begeisterte. Großer Applaus für das Staatsorchester Rheinische Philharmonie – auch vom Dirigenten, der mit der Leistung seines Klangkörpers offensichtlich sehr zufrieden war. Eine Zugabe gab es auch – ein wenig Mozart, mit dem der programmatische Kreis an diesem Abend geschlossen wurde.
