Täufer forderten früh Trennung von Staat und Kirche

Emden. Mit dem Verhältnis von Staat und Kirche in der täuferischen Konfession hat sich eine dreitägige Tagung in der Johannes a Lasco Bibliothek beschäftigt. „Zwischen Duldung und Teilhabe: Täufer und ihr Obrigkeitsverständnis“ lautete das Thema, dem sich 13 Referenten aus ganz unterschiedlichen Richtungen näherten.

Blick ins Mittelschiff der Johannes a Lasco Bibliothek während des öffentlichen Vortrags bei der Täufer-Tagung. Bilder: Wolfgang Mauersberger

Im öffentlichen Abendvortrag „Täuferisches Erbe: ein Plädoyer für Religionsfreiheit und die Trennung von Staat und Kirche“ unternahm Professorin Dr. Andrea Strübind, Vizepräsidentin der Carl von Ossietzki-Universität in Oldenburg, mit den Gästen eine Zeitreise, die von der Grundthese ausging, dass gerade religiöse Minderheiten großen Einfluss auf große Konfessionen nehmen können. Das Unkonventionelle sei „immens wichtig für die Mehrheitsgesellschaft“ und könne einen bedeutenden Beitrag für die großen Religionen leisten“, stellte sie fest. Die Reformation habe keine Toleranz gekannt. Sie habe nur eine Wahrheit und eine Religion zugelassen. Die Stimmen der Verfolgten – in diesem Fall die der Täufer – hätten sich dagegen für Glaubens- und Gewissensfreiheit eingesetzt.


Andrea Strübing stellte anhand von Originaltexten die Kernthesen vor. So habe der Täufer Jakob Hoffinger 1525 dafür eingestanden, dass der Glaube frei sein und die Obrigkeit kein Recht habe, sich in Glaubensdinge einzumischen. Ganz ähnlich argumentierte Hans Denck, Theologe und Humanist, der forderte, der Mensch müsse frei sein von religiöser Bevormundung. Balthasar Hubmeier, einer der führenden Täufer der Reformationszeit, hatte schon 1524 davon gesprochen, dass man mit Andersdenkenden und Ketzern „duldsam“ umgehen müsse.

Diese Gedankengänge verfolgte Andrea Strübind in ihrem kurzweiligen Vortrag auch in den Puritanismus der englischen Reformation. Thomas Helwys, Gründer der ersten englischen Baptistengemeinde, war der Autor einer Schrift, die den ersten gedruckten Aufruf in englischer Sprache zu völliger Glaubensfreiheit enthielt. Er widmete sie König Jakob I., der den Schreiber aber aufgrund dessen Argumentation gefangen nehmen und ins Gefängnis werfen ließ, wo Helwys sechs Jahre später starb.

Professorin Dr. Andrea Strübind

Nächste Station ihrer Betrachtung war Rhode Island, einer der 13 Gründungsstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika. Der Gründer dieser Kolonie, Roger Williams, galt als Vorkämpfer der Religionsfreiheit, der sich früh für die strikte Trennung von Staat und Kirche einsetzte. Die Kolonie entwickelte sich daraufhin als Sammelort von Dissidenten, erklärte Andrea Strübind, die auf die Publikation des Kirchenhistorikers Thomas Kaufmann verwies, der darin die Täufer als Vorreiter einer modernen und aufgeklärten Welt sowie als Verfechter religiöser Toleranz und Gewissensfreiheit beschreibt.

Anja Lütke-Notarp und Edda Liebermann-Pauen

In Begrüßung und Grußwort verwiesen der wissenschaftliche Vorstand der Bibliothek, Professor Dr. Kestutis Daugirdas, und Oberbürgermeister Tim Kruithoff auf das historische Emden. Die Stadt zeige seit dem 16. Jahrhundert einen kreativen Umgang mit einer religiösen Vielfalt (Daugirdas). Emden stelle ein Labor für religiöse Vielfalt das (Kruithoff). Und Andrea Strübind, die selber täuferischen Hintergrund aufweist, erinnerte an eine Massentaufe, die im 16. Jahrhundert „gleich nebenan in dieser Kirche“ vollzogen worden sei.

Den musikalischen Rahmen für den Abend, der mit einem städtischen Empfang endete, schuf das Duo Edda Liebermann-Pauen (Akkordeon) und Anja Lütke-Notarp (Klarinette). Neben Telemanns Suite in G-Dur stand zeitgenössische Musik auf dem Programm.