Das Rätsel um ein ostfriesisches Bildnis

Die Johannes a Lasco Bibliothek feiert in diesem Jahr ihren 30. Geburtstag. Aus diesem Anlass hat der wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. Klaas-Dieter Voß eine Ausstellung eingerichtet, die „Highlights aus sechs Jahrhunderten“ zeigt. Einige dieser Exponate sollen hier vorgestellt werden.

Teil 5
: Porträt Edzards des Großen, datiert 1715

Emden. Dies ist geradezu eine Detektivgeschichte. Denn um das Gemälde Edzards I. (1462 bis 1528) in den richtigen Kontext zu bringen und eine korrekte Datierung vorzunehmen, waren in den 90er Jahre des letzten Jahrhunderts viele Wissenschaftler einbezogen, ohne dass es allerdings ein wirklich eindeutiges, abschließendes Ergebnis gab.

Zum Ankauf des Porträts von Edzard I. trugen in den 90er Jahren viele Förderer bei: die damalige Raiffeisen-Volksbank Emden-Pewsum, die Gerhard ten Doornkaat Koolman-Stiftung, die Ostfriesland-Stiftung der Ostfriesischen Landschaft, die Klosterkammer Hannover. Bild: Wolfgang Mauersberger

1992 taucht auf einer Auktion bei Sotheby’s in New York ein bis dato unbekanntes Gemälde Edzards des Großen auf – und wird dort auch gleich verkauft. Ein Jahr hört man nichts mehr von dem Bild – dann bietet es ein deutscher Kunsthändler auf der Westdeutschen Kunstmesse in Hannover an. Auch in Emden wird man auf das Exponat aufmerksam – und ist interessiert.

Der Leiter der Bibliothek der Großen Kirche, Pastor Walter Schulz, ist in Vorbereitung des Wiederaufbaus der Ruine zu einem neuen Standort für die kostbare Buchsammlung. Er möchte im Neubau eine Art Gemäldegalerie einrichten. 60 historische Bilder aus dem Besitz der Reformierten Gemeinde Emden sind zur Ausstattung des Gebäudes bereits vorgesehen. Graf Edzard, der noch auf der Emder Burg, direkt neben der Großen Kirche residierte, fehlt in der Sammlung.

Schulz reist nach Hannover, sieht das Bild und beschließt dessen Kauf. Allerdings regen sich bei ihm sofort Zweifel, was die Datierung und den Maler des Gemäldes angeht. Es soll nämlich 1517 von dem Niederländer Jacob Cornelisz van Oostzanen gemalt worden sein. Die Niedersächsische Landesgalerie in Hannover gibt eine Expertise ab und bestätigt sowohl das Entstehungsjahr wie den Künstler. Damit wäre es zeitgleich mit einem Gemälde Edzards im Oldenburgischen Landesmuseum, das diesem fast exakt gleicht. Als Schulz das Porträt dort vorstellt, sind die Oldenburger aber ebenfalls skeptisch.

Schulz sucht weitere Museen auf, doch das Dunkel will sich partout nicht lichten. Dann fällt der Name eines Fachmanns für Holzbiologie. Dr. Peter Klein aus Hamburg untersucht den Malgrund, der aus mehreren Eichenholztafeln besteht, sowie den originalen Rahmen. Und er kann eine neue Datierung vorlegen. 1715!

Doch der Fachmann hat noch weitere Neuigkeiten parat. Das Holz stammt aus Westeuopa. Die niederländischen Künstler des 16. Jahrhunderts nutzten für ihre Arbeiten aber vorwiegend Eichenholz aus dem Baltikum. Zudem: Unabhängig von der Datierung zweifeln Kunsthistoriker des Amsterdamer Rijksmuseums, die inzwischen ebenfalls zugezogen wurden, die Zuschreibung an Van Oostzanen an. Schulz damals: „Die Frage ist wieder neu zu stellen: Wer malte wann den ostfriesischen Grafen Edzard I.?“

Edzard Cirksena war der zweite Sohn von Ulrich Cirksena und Theda Ukena. Er wurde nach dem frühen Tod des erstgeborenen Bruders Enno I. zum Grafen von Ostfriesland. Er begünstigte die Reformation in Ostfriesland, schuf ein neues Landrecht (dazu Teil 4 dieser Serie) und reformierte das Münzwesen. Nach außen konnte er seine Grafschaft zunächst nach Westen und Osten erweitern. Aufgrund seiner Aktivitäten wurde er geächtet, konnte den Bann jedoch brechen und wurde mit Ostfriesland in seinen alten Grenzen neu belehnt. Der Geschichtsschreiber Ubbo Emmius sagt über Edzard: „Er ward geliebt, fast mehr als billig war.“