Zeitlose Ansichten – Teil 5

Ostfriesland. In einem Nachlass sind 96 Arbeiten von Heinrich Habbo Herlyn gefunden worden, die nun nach und nach hier veröffentlicht werden sollen. Es handelt sich um Zeichnungen und aquarellierte Arbeiten, die ein Ostfriesland vor etwa 40 bis 100 Jahren zeigen.

Blick auf Vissers Hoop und den Stadtsiel vor der Kriegszerstörung. Heute würde man auf dem Stephanplatz stehen, um in Richtung des Falderndelft zu schauen.

Heinrich Habbo Herlyn wurde 1901 in Namibia geboren und starb 1992 in Leer. Er war Schriftsteller und Redakteur und veröffentlichte unter anderem in Heimatblättern Geschichten und Gedichte über ostfriesische Themen. Viele seiner Arbeiten hat er selber mit Zeichnungen versehen. Zumeist stammen sie aus den 20er bis 80er Jahren. Manche sind datiert, nur wenige sind mit einem Ortshinweis versehen.

Auffallend ist, dass eine große Anzahl Zeichnungen Ostfriesland im Winter zeigt. Winterbilder sind im allgemeinen rar, weil ihr kühles Kolorit vermeintlich beim Betrachter weniger gut ankommt. Herlyn isoliert Gebäude und Landschaftsausschnitte und „porträtiert“ sie auf diese Weise. Dabei liegt über allen Bildern eine Stimmung von Ruhe, Gelassenheit und Zeitlosigkeit.

Blick auf die Osterbutvenne, hinter den Schiffsmasten die alte Stadthalle, in der 1571 die Emder Synode stattfand. Im allgemeinen wird diese Ecke der „Malerwinkel“ genannt.

Die heutigen Bilder zeigen zwei Ansichten Emdens. Dazu gestellt ist ein Gedicht von Johann Friedrich Dirks (1874 bis 1949).

Herbstabend

Stiller werden nun des Tages Stimmen,
Und der Sonne glüher Schein verloht.
Durch die herbstentlaubten Bäume glimmen
Goldumsäumte Wolken purpurrot.

Mählich sinkt das Dorf in tiefes Schweigen,
Weißer Nebel zieht auf Marsch und Watt.
Murmelwind hockt fröstelnd in den Zweigen.
Hin und wieder fällt ein dürres Blatt.

Leise naht die nachtgeweihte Stunde.

Müde blies der Tag die Lichter aus.
Doch schon kommt der Mond, der noble runde.
Lächelnd zieht er über Hof und Haus.