Die erste Museums-Chefin, die Platt lernt
Emden. Lisa Felicitas Mattheis lässt sich nur ungern von ihrem Schreibtisch in der Kunsthalle weglocken. Ihre Arbeit ist ihr wichtig. „Ich neige dazu, meine Tage im Büro zu verbringen“, sagt sie und verhehlt nicht, dass sie ein Workoholic ist.
Die Wissenschaftlerin ist schon seit 2018 in der Kunsthalle tätig. Zunächst als Kuratorin, dann – im Februar 2020 – als Museumsdirektorin und zugleich wurde sie auch Vorstand der Stiftung Henri und Eske Nannen und Schenkung Otto van de Loo – gemeinsam mit Vorstandsvorsitzendem Michael Kühn. Es ist ihre erste Stelle in höherer Position. „Ich weiß das zu schätzen“, sagt sie einigermaßen nüchtern. Erfahrungen bringt sie reichlich mit, und auch die erste Ausstellung in der Kunsthalle hat gezeigt, wie sie arbeitet. „Hauptsache Kopf“ hieß diese erste Schau, mit der sie sich in Emden vorstellte – mitten in der Corona-Pandemie. Und diese Phase hat sie als eine Form von Raffung empfunden. „Die Corona-Jahre haben die Zeit zusammenschmelzen lassen.“
Lisa Felicitas Mattheis schätzt die Kunsthalle, und sie schätzt das kleine Team. Doch mit der Verantwortung als wissenschaftliche Direktorin hat sie begonnen, Strukturen zu etablieren – und das schriftlich, damit eine Verbindlichkeit besteht. Es geht ihr um Effizienz. Mit dem Blick von außen möchte sie verfestigte Konstellationen auflösen. Sammlungspflege, Dokumentation, betriebliche Abläufe – alles hat sie in dem Schriftstück angesprochen – für sich selbst zur Vergewisserung, für die Mitarbeiter zum Verständnis.
Die Größe des Teams verlangt von ihr, wie ein Jongleur stets mehrere Bälle ausgleichend in der Luft zu halten. Das ist nichts, was Lisa Felicitas Mattheis abschreckt. Im Gegenteil. Es macht ihr Spaß, denn sie war nie geneigt, inhaltlich eine Art von Inselleben zu führen. Statt dessen genießt sie es, in ihrer Doppelfunktion viel mitzubekommen, stets auf dem neuesten Stand zu sein. Und auch Kunsthallen-Sprecherin Ilka Erdwiens, die von Mattheis als verbindendes Glied zwischen den Generationen in der Kunsthalle angesehen wird – „Ilka lebt das Haus!“ -, ist von dem frischen Wind im Haus angetan. „Wenn man sich lange auf alten Pfaden bewegt, gewöhnt man sich auch an ungünstige Konstellationen. Da ist ein Blick von außen sehr hilfreich.“
Lisa Felicitas Mattheis, geboren in Kaiserslautern, hat Kunstgeschichte, Medienwissenschaften und Betriebswirtschaftslehre in Trier und Madrid studiert. Gearbeitet hat sie in der Kunsthalle Mannheim und im Sprengel-Museum in Hannover, bevor sie Kuratorin an der Kunsthalle wurde. Für die Kunsthalle sieht sie die Zukunft in einer Fortführung der Vermittlungsarbeit auf unterschiedlichen Ebenen. „Nicht alle Besucher sind kunstaffin.“ Da könne man die bisher erfolgreiche inhaltliche Vermittlungsarbeit der Kunsthalle fortsetzen. „Die hat das Haus in den vergangenen Jahrzehnten ausgezeichnet.“
Die Arbeit von Kunsthallenstifter Henri Nannen sei „in der DNA der Kunsthalle fest verankert“, ist sie sicher. Es gehöre sich, diese Haltung zu bewahren und zu stärken. Dem kann Ilka Erdwiens nur zustimmen. „Nannen hat die Menschen mitgenommen und ihnen auch komplexe Zusammenhänge vermitteln können.“ Das betreffe den Umgang mit den Mitarbeitern ebenso wie den mit den Besuchern.
Und dann ist da noch das 30 Millionen Euro-Bauprojekt, dass die Kunsthalle zukunftssicher machen soll. Der Vorstand ist da stark involviert. Für Lisa Felicitas Mattheis bedeutet das vor allem, die konservatorischen Belange und die Besonderheiten der Sammlung zu berücksichtigen. Erfahrungsgemäß gäbe es nie „die eine große Lösung“. Denn die Kunsthalle sei ja nun einmal zu einem großen Organismus herangewachsen. Dass das Bauen ein langfristiger Prozess und eine Herausforderung wird, ist allen im Hause klar. Ebenso, dass mit dem Projekt Unwägbarkeiten verbunden sind, die nicht nur mit den Materialengpässen und steigenden Baukosten zu tun haben. Wenn das alles vorbei sei, könne sie davon sprechen, dass sie in Emden fürs komplette Leben gestärkt worden sei, sagt die Museumsdirektorin lächelnd und greift zur Teetasse.
Der Tee ist nicht das einzige Ritual, dass die Rheinland-Pfälzerin übernommen hat. Sie hat zudem angefangen, sich mit der plattdeutschen Sprache vertraut zu machen. „Damit ist sie die erste Museumsdirektorin, die das Plattdeutsche annimmt“, schwärmt Ilka Erdwiens, die aus Aurich stammt und viel Leidenschaft für die Heimatsprache aufbringt.