Vom Teelicht zum Leuchtfeuer

Digitales Symposium zum „Immateriellen Kulturerbe im Kulturtourismus“, demonstriert anhand der Teekultur, wie man beides verknüpfen kann.
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Von Ina Wagner

Aurich. Der Titel klingt etwas sperrig, aber das Thema ist klar. Nachdem die ostfriesische Teekultur bereit 2016 in das bundesweite „Verzeichnis immaterielles Kulturerbe“ aufgenommen wurde, behandelte die Tagung der Ostfriesischen Landschaft „Immateriellen Kulturerbe im Kulturtourismus“ Möglichkeiten, die Zeremonie auch den Gästen der Region vorteilhaft näher zu bringen und generell das Teetrinken populärer zu machen. Die Veranstaltung, die rund vier Stunden dauerte und von der Kulturagentur der Ostfriesischen Landschaft organisiert, fand in Form einer Videokonferenz statt, die von Katrin Rodrian und Dr. Nina Hennig, moderiert wurde.

Tee ist fertig zum Einschenken! Dieses Mal im Geschirr mit dem Dekor „Friesisch blau“ Bild: Wagner

Vier Vorträge steckten ein weites Feld von basis-relevanten Fragen zum Thema ab und schufen Grundlagen für die rege Diskussion unter den Teilnehmern. Diese – es waren je nach fortgeschrittener Zeit zwischen 90 und 30 Interessierte aus dem ganzen deutschsprachigen Raum dabei – sprachen allerhand Ideen, Anregungen und Empfehlungen aus, äußerten aber auch Zweifel, ob man generell besondere Kulturformen für den Tourismus ausnutzen dürfe, obwohl – andererseits – diese Vermarktung zum Erhalt des Brauchtums beitragen könne. Und so stellte der Präsident der Landschaft, Rico Mecklenburg, in seinen Eingangsworten auch die Doppelfrage: Wie kann man das Erbe erhalten und zugleich kulturtouristisch nutzen? Während May-Britt Pürschelvom niedersächsischen Wirtschaftsministerium auf die Entwicklung eines Gütesiegels für die ostfriesische Teekultur hinwies.

Besonders nah am Thema „Teekultur“ war Landschaftsdirektor Dr. Matthias Stenger. Er hatte 2014 – damals noch als Leiter des Teemuseums Norden – den entsprechenden Antrag zur Aufnahme in das Kulturerbe gestellt – und das derart nachdrücklich, dass Dagmar von Reitzenstein vom niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur in ihrem Grußwort von einem derart ausgereiften Vorgang sprach, dass er anderen zum Vorbild dienen könne.

Begleiteten die Veranstaltung vom Forum aus: Landschaftsdirektor Dr. Matthias Stenger, die Leiterin der Kulturagentur Katrin Rodrian und Landschaftspräsident Rico Mecklenburg. Bild: Graber

Stenger ging unter anderem der Frage nach, warum die Ostfriesen vor 300 Jahren überhaupt zum Teetrinken kamen. Seine umfangreichen Recherchen ergaben eine Fülle von Gründen. Zum Beispiel: die Nähe zu den Niederlanden, von wo Tee zunächst importiert wurde. Oder die Klagen darüber, dass man in Ostfriesland berauscht sei vom Hamburger Bier und daher zu Prügeleien neige. Oder die Tatsache, dass das in großen Backen aufgefangene Regenwasser für starken Tee über die ideale Konsistenz verfüge – trotz natürlicher Verunreinigungen.

Dr. Sophie Elpers (Königlich Niederländische Akademie der Wissenschaften in Amsterdam) zeigte anhand von vier Beispielen, wie in den Niederlanden immaterielles Kulturerbe zugänglich gemacht wird. Dabei stellte sie Bedingungen vor, anhand derer sich ein immaterielle Kulturerbe überhaupt feststellen lasse. So müsse es beispielsweise mit Emotionen verknüpft sein, einer gewissen Dynamik folgen und mit Identitäten verflochten sein.

Projektmanagerin Birgit Baumann stellte exemplarisch das Konzept „Bi mi to Huus – Lebendige Traditionen an Ems und Vechte“ der Emsländischen Landschaft vor. Dort ging es um Traditionen aus dem Emsland und der Grafschaft Bentheim. Brauchtum wurde dokumentiert und in ein virtuelles Museum eingestellt.

Professor Dr. Enno Schmoll von der Jade Hochschule Wilhelmshaven, ein gebürtiger Norder, nahm dann den Kulturtourismus in den Blick, wobei – wie er gleich einschränkte – der Begriff bereits eine Tautologie sei. Denn: „Kultur ist immer auch Bestandteil des Tourismus.“ Der Wirtschaftswissenschaftler ging vor allem drei Fragen nach: Was sucht ein Gast im Urlaub? – Erholung, Freiheit vom Alltag, anderes Klima, Kontrasterfahrungen zum sonstigen Lebensumfeld. Was bietet die Kultur dem Tourismus? – Erlebnisse, Entdeckungen, Differenz- und Kontrasterfahrungen, Anregungen. Wie sichtbar ist die ostfriesische Teekultur? Hier führte Schmoll ein eigenes Erlebnis vor. Gerade in Singapur angekommen, wurde dort als Serviceleistung des Hotels Tee auf dem Zimmer serviert. Eine Anregung für ostfriesische Hotels?

Einige der Ideen, die von Teilnehmern vorgeschlagen wurden: ein Tee-Festival, Ausleben von Besonderheiten der Teekultur – hauchdünne Tassen, echte Sahne, Tee-Trinken als Bestandteil von Gästeführungen, Aufbau einer Tee-Route. Für Enno Schmoll war die Diskussion Anlass zu einem einprägsamen Bild: Die Teekultur müsse von einem Teelicht zu einem Leuchtfeuer werden und entsprechende Dynamik ausstrahlen.