„Wir hoffen auf Konfrontation!“
Emden. Da steht er. Ein Schreibtisch aus den 80er Jahren. Mitten auf dem Stadtgarten vor dem Rathaus. Offensichtlich ein Stück, das ehemals in einem Verwaltungsbüro gestanden haben mag. Etwas abgestoßen, etwas unordentlich. Immerhin sind noch alle Schubladen vorhanden. Auf der Schreibplatte prangt ein orangener Schriftzug: „Judenmöbel“.
Insgesamt drei dieser Objekte wurden am Dienstag im Innenstadtgebiet aufgestellt. Ein Beistelltisch steht in der Brückstraße, zwei Stühle vor der Verwaltung am Frickensteinplatz. Auch hier dieselbe Aufschrift: „Judenmöbel“.
Was gleich auffällt: Das passt doch nicht zusammen – die Möbel und die Aufschrift. Was soll das? „Es ist gedacht als Provokation“, sagt Kerstin Rogge-Mönchmeyer. Die kommissarische Leiterin des Ostfriesischen Landesmuseums eröffnet mit der Planerin der Aktion, Museumspädagogin Evelina Peuser-Broeker, und dem Provenienzforscher Georg Kö die Installation, die zugleich einen Wendepunkt für das Haus bedeutet. „Wir müssen raus aus dem Museum, hinein in den öffentlichen Raum“, fasst Georg Kö zusammen. Er hat gemeinsam mit dem wissenschaftlichen Volontär im Landesmuseum, Tobias Rentsch, die aktuelle Sonderausstellung „Komplizenschaft. Die Sammeltätigkeit von „Kunst“ und Stadt Emden während der NS-Zeit im Fokus der Provenienzforschung“ konzipiert, in der es um das Thema „Raubkunst“ geht.
In der Präsentation, die am Sonnabend, 10. Juli, offiziell eröffnet wird, wird demonstriert, in welch perfider Weise die Maschinerie der Nazis auch im Verwaltungsbereich tätig wurde und akribisch auflistete, welche Gegenstände aus jüdischem Besitz enteignet wurden, erinnert Kerstin Rogge-Mönchmeyer.
Die jetzt im öffentlichen Raum zu sehenden Möbel sollen an diese „Effizienz“ der Nazi-Verwaltung erinnern. „Das waren Schreibtischtäter“, resümiert Georg Kö.
Und es gibt ein weiteres historisches Fakt, das hier mitgedacht wird. Nämlich an die vor 70 Jahren gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen den beiden Trägern des Landesmuseums, der Stadt Emden und der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer, die sich die Bälle zuspielten. Dabei habe die „Kunst“ die Möglichkeit gehabt, sich gute Stücke der „Judenmöbel“ zu sichern. „Es war Komplizenschaft im wahrsten Sinne, weshalb wir auch die Ausstellung so genannt haben“, erläutert Georg Kö.
Die Zahl der Möbel im öffentlichen Raum wird sich noch erhöhen. Am nächsten Dienstag, 13. Juli, erfolgt die Aufstellung um 13.30 Uhr am Wall (Auricher Straße), um 14 Uhr am Hauptbahnhof, um 14.30 Uhr auf Schreyers Hoek und um 15 Uhr am Anleger am Ratsdelft. Diese Eröffnung wird Oberbürgermeister Tim Kruithoff selber vornehmen.
Mit den Installationen verbindet sich die Erwartung auf eine öffentliche Debatte. Diese soll über die sozialen Medien erfolgen. Deshalb gibt es auf jedem Möbelstück einen entsprechenden Hinweis, wie man sich an der Diskussion beteiligen kann. „Wir hoffen auf Konfrontation.“
Auch die Installationen will man im Blick behalten. Was mit den Möbeln passiert, die im übrigen vom Bau- und Entsorgungsbetrieb der Stadt fest im Boden verankert wurden, soll eigens dokumentiert werden.
Derweil haben die Kuratoren sich eine weitere Installation überlegt, die im Foyer des Ostfriesischen Landesmuseums zu sehen sein wird. Ein kleiner Schreibtisch, ein Stuhl, darauf Papiere. Diese Installation erfährt Veränderungen, die für Irritation sorgen.