Eine leidenschaftliche Chronistin

Zum Tod von Gesine Janssen aus Uttum

Emden / Uttum.
Mit Gesine Janssen kam man immer schnell ins Gespräch – und immer waren diese Gespräche zielgerichtet. Sie, die schon früh begonnen hatte, sich für die Aufarbeitung der Geschichte der jüdische Bevölkerung Emdens und deren Schicksal im Holocaust einzusetzen, die Kontakt zu den Angehörigen suchte und fand, scheute keinen Konflikt, wenn es um die Sache ging, für die sie brannte. So war Gesine Janssen eine der ersten, die den Blick auch auf die Palästinenser und ihre Rechte richtete. Tatkräftig, wie sie war, machte sie sich jahrelang auf und half in Palästina bei der Olivenernte – als ein Zeichen dafür, dass ihr Engagement nicht allein theoretisch ausgerichtet war.

Gesine Janssen war fest in der Region verankert. Hier fand sie ihre Motivation für einen jahrzehntelangen Einsatz für Gerechtigkeit, Toleranz und die Notwendigkeit zur Aufklärung über historische Wahrheiten. Dazu gehörte für sie auch der Einsatz für gerechten Handel. In Groothusen entstand schon Anfang der 80er Jahre ein erster Laden, in Emden folgte der Weltladen, der seit 1989 erfolgreich den Gedanken des „Fair Trade“ verfolgt.

Ihre wissenschaftliche Arbeit richtete sich auf die Aufdeckung von Einzelschicksalen jüdischer Menschen. Zentral stand der Name des Arztes Dr. Julian Kretschmer im Fokus ihrer Nachforschungen. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Oldenburger Universität beschäftigte sie sich intensiv mit seiner Biographie, die sie schließlich als umfangreiche Studie unter dem Titel „Deutschland lag hinter uns“ veröffentlichte.

Einige Jahre später schreibt sie für das „Gedenkbuch der Stadt Emden an die ehemalige jüdische Gemeinde“ einen historischen Teil, der die gesellschaftspolitische Situation in der Seehafenstadt zwischen 1920 und 1945 beschreibt. Und 2007 gelingt ihr – ausgehend von einer kleinen Notiz im Magazin „Spiegel“ – eine sensationelle Recherche, in der sie nachweisen kann, dass 1947 für zehn Monate in Emden ein Kibbuz bestand. Die Geschichte, die Gesine Janssen aufdeckte, gehörte zur Geschichte des berühmten Auswandererschiffes „Exodus“ und erwies sich als deren Schluss-Kapitel.

Jüdische Geschichte entdeckte sie aber auch in ihrem Dort Uttum. So fand sie heraus, dass im Steinhaus Uttum zwischen 1884 und 1902 Emder Juden wohnten – die Familie des Viehhändlers Nathan Karseboom und seiner Frau Caroline. Sie filterte die genealogischen Aspekte des Themas heraus und folgte den Spuren der Familie Karseboom in verschiedene Konzentrationslager, nach Hamburg, Berlin, Israel, in die USA, nach Südamerika, Namibia und Südafrika.

Zuletzt arbeitete Gesine Janssen an einer Geschichte der Uttumer Kirche, die ihr immer sehr am Herzen lag und in der nun auch die Trauerfeier stattfindet.Gesine Janssen ist am 8. Februar im 74. Lebensjahr gestorben. Mit ihr ist die leidenschaftliche Chronistin eines bedeutsamen Teils der Emder Geschichte gegangen.