Das Kartenhaus auf der Kälberwiese

Was alles bedacht sein muss, wenn man Kunst im freien Raum präsentieren möchte

Leer. Am Sonntag (10. Juli) ist ein besonderes Kunstwerk der Ostfriesland Biennale auf einer Kälberwiese neben der Evenburg vorgestellt worden. Die Betonplastik „Glaube/Zweifel“ von Via Lewandowsky ist nun bis Anfang September im offenen Raum zur Besichtigung freigegeben. In einem Pressegespräch erklärte Biennale-Mitinitiatorin Ina Grätz, was es bedeutet, solche ein Projekt umzusetzen.

Tierische Annäherung mitten in der Landschaft: der Zaun, der benötigt wurde, um das Kunstwerk ungestört aufbauen zu können, wurde inzwischen entfernt, so dass das Jungvieh sich frei bewegen kann

Von der Skulptur gab es einen Vorgänger aus Holz. Der datierte von 2007 und war in der Berlinischen Galerie ausgestellt. Da Holz ohnehin für eine Platzierung im Freien nicht geeignet war, sollte das Werk ein zweites Mal gebaut werden – aus Beton. Erstaunlich schnell, sagt Ina Grätz, sei man mit dem Projekt im Steenfelder Betonwerk von Johann Meinders auf einen offenen Ohren gestoßen. Meinders sah sich in der Lage, das individuelle Kunstwerk zu realisieren.

Wie Meinders gegenüber KiE sagte, wiege das Kunststück rund 13 Tonnen und habe die Maße von 6,20 mal 8,05 Meter. Um diese Ausmaße, aber auch das Gewicht auf einer Wiese platzieren zu können, legten die Gärtner der Evenburg unter Leitung von Kulturamtsleiterin Birgit Zimmermann, Fundamente an. Und da der ausgewählte Platz für die Aufstellung ausgerechnet die Kälberwiese des benachbarten Bauernhofs war – der Bauer hatte sich im übrigen sofort bereit erklärt, den Spaß mitzumachen – mussten die naseweisen Jungtiere erst einmal durch einen Zaun abgesondert werden. „Sonst hätten wir die schweren Teile gar nicht aufbauen können“, erklärte Grätz.

Er realisierte das „Kartenhaus“: Johann Meinders

Nun, da alles an Ort und Stelle ist, bewundern alle Anwesenden dieses „Spiel mit Paradoxen“ – die Schwere des Materials wird durch die luftige Gestaltung völlig aufgehoben. Künstler Via Lewandowsky sieht darin einen Hinweis auf „unser tagtägliches Bestreben, die Fragilität der eigenen Existenz zu überwinden“. Die materielle Umkehrung von Spielkarten zu Betonwänden stehe analog zur Umkehr vom Spiel hin zum Ernst. Die Monumentalisierung eines Geschicklichkeitsspiels verweise darauf, „dass nichts von Dauer ist“.

Das Kunstwerk ist auffällig platziert und zum Beispiel auch von der Straße nach Papenburg aus gut zu erkennen. Birgit Zimmermann, die von Anfang an von der Idee fasziniert war, findet es besonders schön, wie sich das Bauwerk in die englische Landschaft mit ihrem „Clumps“, das sind Bauminseln innerhalb der Landschaft, die als optische Elemente den Raum endlos erweitern, einfügt. Und Ina Grätz ist überzeugt: „Einen besseren Platz hätten wir gar nicht finden können.“

Etwas mehr als acht Meter hoch ragt „Glaube / Zweifel“ in den weiten ostfriesischen Himmel

Übrigens handelt es sich bei der Skulptur wirklich um ein Bauwerk. Die Initiatoren mussten einen Bauantrag einreichen. Aber nicht nur Bau- und Planungsamt sowie Statiker waren beteiligt, sondern auch der Denkmalschutz und die Archäologie der Ostfriesischen Landschaft mussten ihr Einverständnis geben. Doch schließlich waren alle Unterlagen vorhanden, und der Aufbau konnte beginnen. Ina Grätz lobt, wie viele Menschen sich ganz selbstverständlich eingebunden hätten, um das Projekt zu realisieren. Dieses gute Miteinander hob auch Landrat Matthias Groote hervor, der bei der Vorstellung als Laudator auftrat und den Einmaligkeits-Charakter der Aktion hervorhob: „Es handelt sich um Weltkunst nur für die Ostfriesland Biennale.“

Via Lewandowsky, der selber erst Ende August bei der Evenburg vorbeischauen kann, ließ eine Grußbotschaft verlesen und lobte, wie schnell sein „Haus ohne Zimmer“ fertiggestellt worden sei.

► Das Kunstwerk „Glaube/Zweifel“ steht am Eingang der Baum-Allee bei der Evenburg und ist ohne Umstände zu besichtigen.