Petkum bekommt seine Grotian-Orgel zurück

Nach eineinhalbjähriger Restaurierung wird das Instrument derzeit wieder aufgebaut

Petkum. Wenn Kristian Wegscheider loslegt, kommt man als Zuhörer aus dem Staunen nicht heraus. Der gebürtige Norddeutsche, der seit 45 Jahren in Dresden lebt und arbeitet, ist nun einmal Orgelbauer mit Leib und Seele – entsprechend viel weiß er zu berichten. Und das Instrument, das er gerade für die lutherische Kirchengemeinde Petkum restauriert und teilerneuert hat, liegt ihm besonders am Herzen. „Es ist doch meine erste ostfriesische Orgel.“

Gemeinschaftliche Besichtigung: Orgelrevisor Winfried Dahlke, Orgelbaumeister Kristian Wegscheider und der Initiator des Orgelumbaus und Mitglied der Petkumer Orgelkommission, Albert Kretzmer

Außerdem ist das Instrument des Valentin Ulrich Grotian (1662 bis 1741) noch in großen Teilen im Original vorhanden. Neben rund einem Drittel der Originalpfeifen ist auch das „Herz der Orgel“ noch da. Die beiden Windladen nämlich, die aus der Zeit Grotians stammen. Das sind jene Bauteile, die die Technik beinhalten, um den von den Bälgen, den „Lungen“ der Orgel, erzeugten Wind auf die Pfeifen zu verteilen und damit die Töne anzuspielen. Zudem werden über die Windladen auch die Register ein- und ausgeschaltet.

Durch ständige bauliche und restauratorische Veränderungen, besonders in der Mitte des letzten Jahrhunderts, war die Orgel nahezu verdorben worden. Eine Vielzahl dieser Fehler konnten jetzt in der Werkstatt von Wegscheider beseitigt werden. Unter anderem waren die Windladen mit schädlichem Kunstleim ausgegossen und die Ventilführungen verändert worden. Von allen Ein- und Umbauten neueren Datums ließ sich letztlich nichts wiederverwenden.

Noch lange nicht fertig: im Augenblick wird das Orgelgehäuse wieder aufgebaut

Die Mitarbeiter der Orgelwerkstatt Wegscheider mussten also viele Einzelteile neu anfertigen. Dazu zählten auch die Klaviatur, die Registerzüge, das Notenbrett. Dabei arbeiteten sie nach den Methoden der alten Orgelbauer, so dass die jetzige Restaurierung den Bestand des Instrumentes auf Dauer sichern wird, betonte Pastor Onno Schulz. „Der historische Wert der Orgel ist jetzt wieder erkennbar.“ Und obwohl derzeit erst einmal das komplizierte Gehäuse wieder aufgebaut wird, hat die Kirchengemeinde schon Anfragen von renommierten Organisten bekommen, ob man denn das Instrument einmal spielen dürfe.

Paul Ahrends, Mitarbeiter der Orgelbaufirma Wegscheider, an dem improvisierten Arbeitsplatz auf der Orgelempore

Diese Anfragen seien berechtigt, meint Onno Schulz. Denn die Orgel wird von herausragender Bedeutung für die ostfriesische Orgellandschaft sein. Dafür sorgt unter anderem auch das neu gebaute Pedal, dass die Klangmöglichkeiten der zweimanualigen Orgel mit ihren 15 Registern – fünf davon sind Originale von Grotian – erweitert. Denn das Pedal umfasst weitere vier Register, und die Petkumer konnten sich den Bau nur unter Ausnutzung verschiedener Finanzierungswege leisten.

Grotian war ein Zeitgenosse Arp Schnitgers, der in Ostfriesland auch nur zwei Orgeln hinterlassen hat – Schnitger in Weener und Norden, Grotian in Pilsum und Petkum. Die Pilsumer Orgel galt bei der Petkumer Restaurierung dann auch als Referenz-Orgel bei Zweifelsfällen.

Die Schleierbretter für den Schmuck des Orgelgehäuses warten auf einer Kirchenbank auf ihren Einsatz

Die Firma Wegscheider will den Wiederaufbau bis zum 17. September abschließen. Danach muss die Orgel aber noch intoniert werden, was rund drei Wochen dauert und von Hendrik Ahrend von der Orgelbauwerkstatt Ahrend in Loga und seinem Sohn Paul, der Mitarbeiter von Wegscheider ist, realisiert wird. „Ich freue mich wirklich sehr auf diese Arbeit“, sagte Paul Ahrend auf Anfrage von KiE.

Am 5. November will die Gemeinde ihre neue Orgel erstmals erklingen lassen. Dabei soll Landeskirchenmusikdirektor Winfried Dahlke an der Grotian-Orgel sitzen. Er ist als Orgelrevisor nicht nur für die reformierten, sondern auch für die lutherischen Orgeln zuständig. In welchem Rahmen die Orgel-Vorstellung aber geschieht, ist noch nicht klar. „Womöglich kommt uns ja wieder einmal Corona in die Quere“, befürchtet Onno Schulz. Gleichwohl ist die Gemeinde dankbar dafür, dass der Orgelbaumeister aus Sachsen seine Arbeit so pünktlich erledigt hat. „Bei uns in der Werkstatt ist dafür auch viel andere liegen geblieben“, gesteht Wegscheider.

Die Petkumer Kirche als Lagerraum für die unendlich vielen Teile, die es braucht, um eine Orgel zu bauen

Bevor die öffentliche Präsentation der Orgel erfolgen kann, muss zunächst noch die farbige Fassung des Gehäuses grundlegend erneuert werden. Dazu gehören auch die sogenannten Schleierbretter, ein hölzerner Schmuck mit der Wirkung feinsten Spitzenwerkes. Das Aufsetzen einer Bekrönung auf den Mittelturm ist geplant, allerdings muss der beauftragte Lüneburger Restaurator diese erst einmal aus den vorhandenen Schleierbrettern rekonstruieren, denn das Originalstück ist verloren. Das Aufsetzen dieses Schmuckes wird möglich, weil ein etwa 18 Zentimeter hohes Podest, auf dem die Orgel ursprünglich stand, entfernt wurde. Nun ist ausreichend Platz zwischen dem obersten Teil der Orgel und der Decke der St. Antonius-Kirche von Petkum.