Was Fliesen erzählen können

Emden. Die Neue Dienstagsrunde von 1820dieKUNST hatte sich den Antiquar Horst Arians aus Remels eingeladen, der über ein spezielles Sammelgebiet sprach: Fliesen. Er selber habe in vielen ostfriesischen Häusern ganze Räume gefunden, die mit Fliesen des 17. und 18.Jahrhunderts ausgekleidet worden seien. Viele Eigentümer gingen sehr behutsam mit diesen Denkmalen um und kümmerten sich auch um Ergänzungen von Fehlstellen, erläuterte Arians. Er selber hat in seinem Geschäft in Remels rund 5000 Fliesen von allen möglichen niederländischen Produktionsstätten vorrätig Makkum, Harlingen, Amsterdam, Gouda.

Die Motive entnahmen die Fliesenmaler den Kupferstichen bekannter Künstler – und das teilweise bis ins kleinste Detail. Zur Altersbestimmung müsse man eine Reihe von Faktoren berücksichtigen, sate Arians. Das gehörten die genauen Maße, die Dicke, das Motiv, aber auch die Nagellöcher. Mit Nägeln wurden die Fliesen beim Ausschneiden aus dem Ton rutschsicher in den Ecken fixiert. Sitzen diese Haltelöcher weiter außen oder weiter innen? Das sei ein entscheidendes Kritwerium für ihr Alter. Insgesamt aber gelte, die Menge an Fliesen sei entscheidend, denn die Fliese sei nun einmal ein Flächenprodukt.

Auftaktmotiv des Vortrags: ein Flötenspieler auf einer Harlinger Fliese

Wer beginnt, sich mit Fliesen zu beschäftigen, benötigt grundsätzliches Gewissen. Dazu gehöre, so erläuterte Arians, dass zu jeder Herstelle nicht nur eine rückwärtige Ausstattung aus Fliesen gehört, sondern dass auch Fliesentableaus, die zwei Haustiere zeigen. „Hund und Katze gehören zu jeder Herdstelle“, sagte Arians.

Ein besonderer Schatz seien Fliesen mit biblischen Motiven, erläuterte der Antiquar. Als das Ostfriesische Landesmuseum umgebaut wurde, habe man auch eine Fliesenwand entfernt, in die 32 Bibelfliesen ausgebaut wurden, die sich ursprünglich im Haus Am Burggraben 12 von 1610 befunden hätten. Wie kostbar die Fliesen seien, ersähe man daraus, dass die höchste Zahl von Bibelfliesen in einem niederländischen Museum bei 24 läge. Eine andere absolute Seltenheit habe er in einem historischen Haus im Riepster Hammrich gefunden. Dort entdeckte Arians ein Fliesentableau, das acht mal vier Fliesen umfasste. Ein senkrecht aufgebautes 32er-Tableau sei so selten, dass der niederländische Fliesen-Experte Jan Pluis in völlige Verzückung geraten sei, als er davon erfuhr.

Arians zeigte in seinem bilderreichen Vortrag nicht nur die schönsten Fliesen-Zimmer wie das „Blaue Zimmer“ des Museums in Jever, sondern appellierte auch, man möge umgehend fotografieren, wenn man besondere Fliesen oder Tableaus sehe, um eine Dokumentationsquelle zu haben, ehe solche Kleinode gänzlich verschwänden – durch Abbruch oder Gedankenlosigkeit. So konnte er einmal von einem Abbruch-Hof in Greetsiel 240 historische Fliesen retten. „Die Wand mit den Fliesen war die einzige, die in diesem Moment noch stand“, berichtete er seinen interessierten Zuhörern.

Die lernten in der Folge, was ein Wan-Li Eckmotiv ist, dass dieses Eckmotiv aber auch verraten kann, ob eine Fliese aus Gouda (gelber Strich in einer Lilie) oder Harlingen (blauer Strich) gefertigt wurde, dass die polychrome Fliesenmalerei um 1644 in die blaue oder/und braune überging, dass Kinderspiele ein sehr beliebtes Motiv der Fliesenmalerei waren, dass aber grundsätzlich gilt: „Es gibt nichts, was auf Fliesen nicht dargestellt wird.“