Essentiell!

Erstmals fand ein Konzert des Krummhörner Orgelfrühlings in der romanogotischen Kirche zu Canum statt

Canum. Alles steuerte systematisch auf den letzten Teil des Programms zu: erst Bachs langgestreckte Passacaglia und Fuge c-Moll – 15 Minuten ergreifende Musik -, dann ein Text zum Frieden, weniger bedeutsam, – dann eine Improvisation, aber was für eine! Keine kurze flüchtige Reminiszenz eines bekannten Stückes, keine freie Musik, sondern eine im Moment des Entstehens schon strukturierte Musik, die zwei Choräle miteinander verwob, durcharbeitete, interpretierte und dann, mit eigenen Einfällen in Fülle gespickt – aber immer noch erkennbar – in ein musikalisches Ganzes einbettete. Da stockte den Besuchern des dritten Konzertes des 20. Krummhörner Orgelfrühlings doch glatt der Atem.

Christoph Reinhold Morawitz, der schon im letzten Jahr in Westerhusen durch sein scharf durchdachtes musikalisches Konzept aufgefallen war, lieferte an der wunderbaren Immer-Orgel in der Kirche zu Canum einen eindrucksvollen Abend. Es war faszinierend, wie sich der Organist durch seine eigene Gedankenwelt arbeitete, begleitet von Cornelia Milatz, die das Schlagwerk aktivierte – und zwar punktgenau. Wie die beiden es organisieren, Orgelklang und Schlagwerk derart in Einklang zu bringen, mag ihr Geheimnis bleiben. Es war jedenfalls großartig!

Wunderbar klangstark ist die Immer-Orgel mit ihrem breiten Feld an Ausdrucksfähigkeit. An diesem Abend bewältigte sie mühelos Kompositionen von Bach und bis zu Arvo Pärt, von Jean Langlais bis Werner Heider. Kraftvoll im Ton, beweglich in der Artikulation, stets ansprechbar, wurde sie allen Anforderungen gerecht.

Begonnen hatte alles mit einer Battaglia von Johann Caspar Kerll. Es handelt sich um eine stark rhythmisierte barocke Marschmusik, bei der das Schlagwerk mit krachenden Effekten eingriff. Von dieser Kriegsmusik ging es weiter zu Heiders „Land in Not“, ein Stück, das gleichsam die Folgen des Krieges beschreibt, dies in Form einer flächigen Musik, die symbolisch Verwüstung und Not vor Augen führt.

Bei dem nächsten Stück, Bachs Orgelchoral „Erbarm Dich mein, o Herre Gott“ stellte man verblüfft fest, wie nahe beieinander die beiden Kompositionen über die Jahrhunderte hinweg eine gemeinsame Auffassung vermitteln, Heiders Musik aus der Sicht des geschundenen Landes, Bachs aus der Sicht der geschundenen Seelen.

Der Friedenswunsch „Dona nobis pacem“ des Theologen Richard Riess wurde dann von Festivalleiter Siek Postma gelesen – begleitet von improvisierenden Klängen auf der Orgel. Vom Text verstand man akustisch kaum etwas. Aber immerhin sind die Texte im Programmheft abgedruckt. Die Idee ist grundsätzlich sehr schön, zumal die insgesamt drei Lesungen durch den feinen Ton einer Klangschale angekündigt wurden.

Beendet wurde der Abend mit einem wunderbaren „Vaterunser“ von Georg Böhm, dem Lehrer Johann Sebastian Bachs. „Es ist so gut, dass es auch von Bach sein könnte“, kündigte Morath diesen musikalischen Schatz an. In der Tat! Resümee? Ein essentieller Abend!