Große Visionen contra kleinere Missstände

Emden. Zum vierten Mal hat die Direktorin des Ostfriesischen Landesmuseums, Jasmin Alley, zu der Veranstaltungsreihe „Wem gehört die Stadt“ eingeladen. Dieses Format steht im Zusammenhang mit dem sogenannten Chinesentempel, der nach seiner Sanierung ein „neuartiger Ort für Teilhabe und Austausch“ werden soll, wie es in der Vorankündigung heißt. Dieses Mal war eine Podiumsdiskussion vorgesehen: „Social Design – Was Städte können müssen“. Fünf Fachleute saßen auf dem Podium, aber nur zehn im Saal. Eine Zahl, die Jasmin Alley enttäuschte. „Es macht mich traurig, dass nur so wenige Leute da sind, wo wir doch so tolle Referenten haben.“

An dem Gespräch nahmen teil: Irina Krantz (Stadtbaurätin Emden), Dr. Anke Schröder (Landeskriminalamt Niedersachsen), Tilman Walther und Nina Lucia Groß (Freiraum- offener Projektraum und Treffpunkt, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg). Und es sollte um ganz große Fragen gehen: Was braucht die Stadt der Zukunft? Was müssen Innenstädte Besuchern bieten, um nicht auszusterben? Welche Möglichkeiten der nachhaltigen Stadtplanung gibt es? Wie sieht eine moderne, sichere Stadt aus? Die Referenten setzten auch entsprechend an. Irina Krantz gab Einblick in das, was sie umsetzen möchte: die zahlreichen dysfunktionalen Räume neu besetzen. Dazu zählte sie den Friedhof an der Schweizer Kirche, die Ringstraße mit ihren sterbenden Bäumen, den Bahnhof mit seinem riesigen Vorplatz, den man den Bedürfnissen der Nutzer besser anpassen könnte, die weitere Entwicklung der Delfte und Kanäle, die immer noch nicht genug genutzt würden.

Walther und Groß stellten ihre Einrichtung „Freiraum“ im Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg vor, einen Treffpunkt, den Menschen aus dem Stadtteil als Begegnungsstätte für vielfältige Nutzung besuchen, der aber auch straffen Regeln unterliege. „Um Räume muss man sich kümmern“, sagte Tilman Walther. Schärfer fasste es Anke Schröder zusammen: „Für den öffentlichen Raum ist soziale Kontrolle nötig.“ Sie arbeitet als Architektin beim Landeskriminalamt im Schwerpunkt „urbane Sicherheit“ und damit in der Kriminalprävention.

Die Besucher allerdings zeigten mehr Interesse, ihrem Ärger über die vergleichsweise „kleinen“ Dinge des Alltags Luft zu machen: Ampelphasen, die zu kurz ausfallen, je weiter man in Richtung Innenstadt geht, Autofahrer, die den Zebrastreifen vor dem Rathaus am Delft ignorieren, E-Bikes, die die Sicherheit von Fußgängern gefährden, eine Straßenbeleuchtung, die nicht bis zum Boden reicht und ihn nicht ausreichend erhellt, dunkle Straßen, weil aus Umweltschutzgründen jede dritte Laterne in Emden abgeschaltet ist, Laternen, die mitten auf dem Radweg platziert sind, die aber jetzt, so sagte Irina Krantz, nach und nach versetzt werden. So standen große Visionen dem bürgerlichen Ärger über sehr real empfundene Missstände im Kleinen gegenüber.

► Die Reihe soll im nächsten Jahr fortgesetzt werden