Otto und seine Freunde
Kunsthalle eröffnet Ausstellung zum 100. Geburtstag des Galeristen und Stifters Otto van de Loo
Emden. Als Otto van de Loo 1957 seine Galerie für avantgardistische Kunst im Dachgeschoss eines Hauses in der Münchner Maximilianstraße eröffnete, positionierte sich die Kunstszene gegen die Ästhetik der 50er und 60er Jahre, gegen die „angestaubte Nachkriegsgesellschaft“, wie die wissenschaftliche Kunsthallen-Direktorin Lisa Felicitas Mattheis am Freitag (9. Februar) im Rahmen einer Pressekonferenz sagte. Neben dem Verkauf von Kunst baute der Galerist seine eigenen Sammlung auf. 200 dieser Werke kamen 1997 als Zustiftung an die Kunsthalle nach Emden. Es war eine Aktion mit Folgen. Denn zum einen wurde die expressionistische Sammlung von Henri und Eske Nannen damit um neue Positionen erweitert. Zum anderen erforderte die Tat eine grundlegende Erweiterung der Kunsthalle.
Wie aber lernten Eske und Henri Nannen den Galeristen kennen? Eske Nannen erinnert sich noch ganz genau, wie das damals war. Es war die große Zeit der legendären Nannen’schen Bettelbriefe. Einer von diesen sollte einer Info-Post eines Galeristen in Düsseldorf beigelegt werden, bei dem Nannen eingekauft hatte. Die erste Resonanz kam von dem Sammler-Ehepaar Rolf und Irene Becker aus München. Die luden zu einem Essen ein, bei dem Eske Nannen die Tischdame von Otto van de Loo war.
Man kam ins Gespräch, und bald erreichte den Galeristen ein Brief aus Emden. Absender: Henri Nannen. Sein Anliegen: Ob Otto van de Loo, der gerade dabei war, seine Sammlung an verschiedene Museen in Deutschland zu verteilen, dabei nicht auch an Emden denken könne. Van de Loo antwortete: Ja, aber dann müsse es auch eine dauerhafte Präsentation möglich sein. „Tütje, dann müssen wir ja wohl anbauen“, habe ihr Mann zu ihr gesagt. Schließlich waren 17 Millionen Mark für den großen Umbau zusammengebracht, das Haus 2000 neu eröffnet, und 200 Werke van de Loos kamen nach Emden.
Aus diesem vielfältigen Konvolut heraus hat Kuratorin Kristin Schrader eine Geburtstagsausstellung entwickelt, die die nächsten drei Monate in der Kunsthalle zu sehen sein wird. Damit verknüpfen sich Namen, die heute in der Kunstwelt gängig sind: Constant, Alechinsky; Asgar Jorn, E.R. Nele, Hans Platschek, Heimrad Prem und viele andere. Ihnen räumt die Kunsthalle die größte Ausstellungsfläche im Haus ein und nennt die Schau „Bilder wie Energiemaschinen“.
Dass Otto van de Loo ebenfalls eine „Energiemaschine“ war, darauf verweist Kristin Schrader – auch mit dem Hinweis, dass Van de Loo in den ersten sechseinhalb Galerie-Jahren allein 50 Ausstellungen präsentierte – in den 40 Jahren, die Otto van de Loo seine Galerie betrieb, werden es schließlich mehr als 250 sein. Beleg dafür sind eine unglaubliche Vielzahl von Plakaten, die ebenfalls zur Sammlung gehören und nun auf einer hohen Wand vom Vermittlungseifer des Galeristen zeugen. Stets gab es zu jeder Schau auch einen Katalog, selbst wenn dieser nur vier Seiten dünnen Papiers umfasste.
Van de Loo begann schon früh, auch Arbeiten von Künstlerinnen zu sammeln. E.R. Nele, Anna-Eva Bergmann, Miriam Cahn, Judit Reigl und Anja Decker, die es heute wiederzuentdecken gelte, gehören dazu. Die Ausstellung stellt die Biographie des Stifters und seine Sammlung gleichermaßen vor. Man macht Bekanntschaft mit der früh verstorbenen Ehefrau Heike van der Loo, kann einen Blick in die Galerie-Räume mit ihren Dachschrägen werfen, betrachtet die Fotos der Mitglieder der Gruppe SPUR oder erlebt Otto van der Loo im Kreise der Künstler, die er vertrat und die teilweise zu guten Freunden wurden.
Ganz am Eingang der Ausstellung steht der Betrachter vor einer Gruppe von 16 großformatigen Porträts, die Hans Platschek zumeist von Kollegen malte. Karikaturenhaft starren sie ihrerseits die Betrachter an und belegen, dass die Malerei dieser Zeit beabsichtigte, sich von Bindungen zu lösen und – wie Kristin Schrader sagte – „die Ästhetik zu sprengen“. Es tröpfelt, es spritzt, Farbe läuft und verläuft. Und man erfährt, dass der Galerist Otto van de Loo von dieser Art der Kunst geradezu berauscht war.
Doch bleibt es in der Kunsthalle nicht allein bei dieser Ausstellung. Im Atrium sind drei großformatige Arbeiten von Gunter Damisch zu sehen. Ein anderer Teil der Kunsthallen-Sammlung wird unter dem Titel „Art is a criminal action“ gezeigt. Der größte Teil aber ist den expressionistischen Werken aus dem Eigenbestand gewidmet. Unter dem Titel „Expressionismus. Unverstanden, angegriffen, gefeiert“ vereinen sich auch Top-Werke des Hauses wie die „Blauen Fohlen“ (1910) von Franz Marc, „Knabe vor zwei stehenden und einem sitzenden Mädchen“ (1918/19) von Otto Mueller oder August Mackes „Porträt Walter Macke mit Häschen“ (1913).
► Die Jubiläums-Ausstellung für Otto van de Loo ist bis zum 12. Mai zu sehen, die anderen Bereiche bis zum Jahresende.