JAG und Landesmuseum kreieren wissenschaftliches „Emder Modell“

Emden. Erstmals hat es ein wissenschaftliches Kooperationsprojekt zwischen dem Johannes Althusius Gymnasium (JAG) und dem Ostfriesischen Landesmuseum gegeben. 18 Schülerinnen und Schüler nahmen daran teil. Die Ergebnisse sind jetzt in einem wissenschaftlichen Sammelband veröffentlicht worden. Die Zusammenarbeit war so erfolgreich, dass daraus ein Modell der Schulkooperation mit Museen entstanden ist, das als „Emder Modell“ künftig Verbreitung über den Museumsverband finden soll.

Vorstellung in bunter Reihe vor dem Ostfriesischen Landesmuseum: Hier ging es um den ersten Sammelband aus einem Kooperationsprojekt.

Das Projekt im Seminarfach mit geschichtlichem Schwerpunkt am JAG, an dem auch fünf Gastschüler beteiligt waren, lautete: „Emden zur Zeit der Reformation – ein Paradigma für Migration und Austausch?“ Dabei ging man der Frage nach, ob das Emden der Reformation als eine Art Muster für Migration und Austausch gelten kann und welche Bedeutung dieser Aspekt der Gesellschaftsentwicklung in Geschichte und Gegenwart hat. Nach Meinung der Schüler muss dies mit einem Ja beantwortet werden. An der Erarbeitung waren Experten des Museums, des Stadtarchivs Emden und anderer ostfriesischer Wissens- und Bildungsinstitutionen beteiligt.

Die Bedeutung des Projektes geht nach Ansicht der Team-Leitung, Fachlehrerin Dr. Iris Mäckel und Wissenschaftler im Ostfriesischen Landesmuseum, Georg Kö, weiter. Man erlange nämlich auch einen Einblick in die Interessenslage der kommenden Forschergeneration. Das habe sich vor allem in den interdisziplinären Ansätzen der Beiträge zur Musikgeschichte oder zur Rezeptionsgeschichte in Film, Fernsehen und Internet sowie in einem Beitrag gezeigt, der sich kritisch mit den Vermittlungsszenarien der Reformationsgeschichte im Ostfriesischen Landesmuseum auseinandersetzt, meint Georg Kö.

Das Projekt entwickelte sich aus einer Initiative der Museumspädagogik heraus. Ein erstes Treffen 2019 brachte bereits viele innovativen Ideen hervor. Dabei wurde auch deutlich, dass die Schulen immer mehr gefordert sind, ihren Absolventen eine komplexe wissenschaftliche Vorbildung zu geben. Kö: „Die Universitäten erwarten mittlerweile Erstsemester, die bereits mit den Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens und Schreibens vertraut sind.“ Die Museen wiederum stünden unter dem Druck, sich auch als „außerschulischer Lernort“ oder „Vermittlungsplattform“ weit über ihre Kernaufgaben hinaus zu präsentieren. So sei es notwendig geworden, neue Wege zu beschreiten und neue Perspektiven zu finden, die für beide Seiten gelten, sagen die beiden Projekt-Verantwortlichen. Die Schüler mussten raus aus der Schule, das Museum wiederum musste Einblicke in Forschung, Magazin, Quellen und Archive zulassen. Iris Mäckel und Georg Kö sind sich einig: Die Schüler hätten sich dabei fundiertes Wissen angeeignet, das sie „in hervorragenden Facharbeiten zu interdisziplinären Fragestellungen umzusetzen wussten“.

Hier wird gewidmet: das erste Exemplar geht an Oberbürgermeister Tim Kruithoff. Bilder: Silke Arends / Diethelm Kranz

Für die Schüler sei der praktische Zugang, der Blick hinter die Kulissen deutlich „spannender gewesen, als all diese Dinge nur theoretisch im Klassenzimmer vermittelt zu bekommen“. Zudem sei man ihnen auf Augenhöhe begegnet und habe sie als junge Forscher ernst genommen. „Das Ergebnis zeigt dann ja auch, wie gut sie mit dieser neue Rolle von verantwortlichen und selbständig arbeitenden jungen Erwachsenen bereits zurechtgekommen sind“, merkt Kö an. Dies umso mehr, als man sich sprachlich in besonderer Weise angenähert habe. Es wurde nämlich das kollegiale „Du“ angeboten oder die formelle Anrede „Herr Kollege“ oder „Frau Kollegin“ gewählt. „Das hat natürlich etwas ausgelöst und wurde anfangs vorsichtig und zaghaft, jedoch sehr positiv aufgenommen.“

Titelseite des Sammelbandes mit der Abbildung des Gemäldes von Johannes Verhagen „Moses schlägt Wasser aus dem Felsen“ aus dem 16. Jahrhundert. Das Gemälde befindet sich im Ostfriesischen Landesmuseum.

Lohnend war das Projekt für die Schüler in mehrere Hinsicht. Neben der praxisnahen, vorwissenschaftliche Bildung, die sie erhalten haben, können sie mit ihrem Beitrag nun eine erste wissenschaftliche Publikation vorlegen. Ein Startvorteil an der Universität, wie Georg Kö sagt. „Ich kenne viele junge Kolleginnen und Kollegen, die ihr Masterstudium abschließen und dann bei ihrer ersten Bewerbung straucheln, weil das leider verschulte Bologna-Studiensystem keine Zeit ließ, sich auch noch um Publikationen zu kümmern.“

Das Seminarfach mit geschichtlichem Schwerpunkt wurde über drei Semester einmal in der Woche als Doppelstunde erteilt, musste aber durch Hausarbeit ergänzt werden. Das Seminarfach stelle besondere Ansprüche und übe auch die Wissenschaftspropädeutik, das Lernen in außerschulischen Lernorten, das Lernen an Objekten, das Lernen in komplexen und interdisziplinären Zusammenhängen ein, erläutert Iris Mäckel. Auch das Präsentieren von Ergebnissen gehörte zum Lernstoff, ebenso wie die Herausgabe des Buches. „Eine Herausforderung“, versichert Georg Kö.

Mehrfach mussten die Planungen wegen des Lockdowns angepasst werden. So fielen die Reisen in die Niederlande der Pandemie zum Opfer. Gleichwohl fanden sich Möglichkeiten, grenzüberschreitende Themen in den Blick zu nehmen. Unterrichtet und begleitet wurden die Schüler von Iris Mäckel und Georg Kö im Team.

► „Emden zur Zeit der Reformation. Ein Paradigma für Migration und Austausch“, herausgegeben von Iris Mäckel und Georg Kö, Band 44 der Veröffentlichungen des Ostfriesischen Landesmuseums Emden, 287 Seiten. Auflage: 500 Stück. Finanziert von der Niedersächsischen Lotto-Sport-Stiftung über die Projektfinanzierung. Derzeit ist das Buch noch nicht im Handel.