1 Hündchen, 4 Erdteile und 1 Spiegelbild

Von Ina Wagner

Emden. Zwei Diplom-Restauratorinnen aus Dresden sind derzeit damit beschäftigt, im Ostfriesischen Landesmuseum zwei großformatige Gerechtigkeitsdarstellung zu überarbeiten. Die beiden Gemälde gehörten einst zur originalen Ausstattung des Ratssaales im Renaissance-Rathaus von 1574/76. Beide Bilder wurden vom Rat bestellt und stammen von dem – vermutlich – flämischen Künstler Johannes Verhagen, dessen Lebens- und Sterbedaten unbekannt sind.Das eine Gemälde stammt aus dem Jahr 1576 und zeigt das „Urteil des Salomo“, das andere datiert von 1577 und trägt den Titel „Moses schlägt Wasser aus dem Felsen“. Während das erste Bildmotiv thematisch zum gängigen Programm der Ausstattung von Rathäusern aus jener Zeit zählt, verweist das andere auf Emdens Migrationsgeschichte im 16. Jahrhundert, meint Dr. Annette Kanzenbach, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museums und Kuratorin der Gemäldesammlung.

Sybille Kreft und Uta Matauschek mit dem beiden Gemälden Johannes Verhagens – links „Moses schlägt Wasser aus dem Felsen“, rechts „Das Urteil des Salomo“. Bilder: Wagner

Die sich mit der Restaurierung verbindenden Hoffnungen richteten sich auch darauf, womöglich neue Erkenntnisse zu gewinnen. Und eben diese Erwartungen haben sich erfüllt.

Denn als die Schmuckrahmen der beiden Gemälde abgenommen waren, fanden die Restauratorinnen Sybille Kreft und Uta Matauschek Nägel und Nagellöcher in den Randbereichen der bemalten Fläche, was darauf schließen lasse, dass die Leinwände offenbar direkt auf einen Untergrund genagelt worden waren. Man müsse daher wohl davon ausgehen, dass die Wände des Ratssaals im 16. Jahrhundert teilweise oder ganz vertäfelt waren. Die Gemälde seien dann auf diese Holzpaneelen genagelt und anschließend von einer Schmuckleiste umgeben worden. Diese Methode kenne man zwar, meint Dr. Annette Kanzenbach, allerdings habe es bisher keinen Beleg dafür gegeben, dass in Emden ähnlich verfahren wurde. Jetzt müsse man versuchen, den Befund zu konkretisieren.

Blicken aus dem Bild heraus auf den Betrachter: Johannes Verhagen und seine Frau? Und wer ist der dritte im Bunde?

Außerdem sieht Annette Kanzenbach den Maler Verhagen, aus dessen Biografie fast keine Fakten überliefert sind, als Schüler des Frans Floris (1517 bis 1570), der seinerzeit in Antwerpen eine große Werkstatt führte. „Die stilistische Nähe zwischen den Bildern von Floris und Verhagen ist auffallend. Das kann kein Zufall sein.“

Das trinkende Hündchen. Deutlich ist die zwei Zentimeter breite Umbruchkante zu sehen, die jetzt wieder integriert wird – was allerdings zur Folge hat, dass der alte Rahmen nicht mehr ums Bild passt.

Eine letzte bedeutsame Entdeckung machten die beiden Restauratorinnen, als sie im Moses-Gemälde“ eine Bildverlängerung entdeckten. Ein rund zwei Zentimeter breiter bemalter Streifen war – womöglich bei einer früheren Restaurierung – beim Spannen des Gemäldes umgeschlagen worden und kam nun wieder zum Vorschein. Er ist lädiert, konnte aber gesichert werden. Zudem gibt die kleine, zusätzliche Malfläche zu erkennen, dass das Hündchen im Vordergrund des Gemäldes aus einem kleinen Bach trinkt, der sich aus dem sprudelnden Quellwasser gebildet hat. Vorher hätte man meinen können, das Tier schlecke den Gemälderahmen ab. Ganz rechts beugt sich ein Kind über das Wasser, und man erkennt nun das Spiegelbild des Köpfchens im Wasser. „Ein Gewinn“ sei diese Ergänzung des Gemäldes, konstatiert Annette Kanzenbach.

Detailstudien der Porträts im Moses-Gemälde: oben eine Frau mit kunstvoll verzierter Haarpracht, unten ein Ägypter.

Dass die Gemälde überhaupt restauriert werden können, ist einem Projekt der Ernst von Siemens Kunststiftung zu danken (KiE berichtete). Sie fördert Restaurierungen von kunsthistorisch relevanten Exponaten durch freiberufliche Fachleute. Das Ostfriesische Landesmuseum kam in den Genuss der vollen Förderung in Höhe von 25 000 Euro und konnte so Sybille Kreft und Uta Matauschek, die schon seit langem für das Haus arbeiten, mit dem Auftrag betrauen. Annette Kanzenbach sieht dieses Sponsoring als Geschenk, da sie schon seit 15 Jahren versucht, die beiden Bilder restaurieren zu lassen.

Deutlich zu sehen: das Gemälde ist um zwei Zentimeter erweitert. Rechts das rosa überhauchte Spiegelbild des Kindes im Wasser.