„Handgemenge“ auf drei Manualen

Emden. Es ist ein personelles Arrangement auf engstem Raum. Das Spiel zu vier Händen auf der Beckerath-Orgel verlangt nach einer exakten Choreographie, um sich nicht ins Gehege zu kommen. Der Organist der Martin-Luther-Kirche, Marc Waskowiak, und Organistin Brigitte Höhn wollen gemeinsam das Experiment wagen, dieses „Handgemenge“ anzurichten. Das gewählte Objekt ist das Ballett „Der Nussknacker“ von Peter Tschaikowsky in der Bearbeitung für Orgel vierhändig von Alexander Därr (geboren 1976).

Kommen sich musikalisch durchaus ins Gehege: Marc Waskowiak und Brigitte Höhn an der Beckerath-Orgel der Martin-Luther-Kirche.

Erklingen soll diese musikalische Werk am 30. November ab 19 Uhr in der Martin-Luther-Kirche im Rahmen des Konzertes zum 26. Geburtstag der Orgel, ein Format, das der vormalige Kantor der Luther-Kirche, Elmar Werner, eingeführt hat und das sich dadurch auszeichnet, dass der gesamte Kirchenraum mit Kerzen bestückt wird.

Auf den Tasten der drei Manuale geht es beim Tschaikowsky meistens rasant zu.

Alexander Därr hat acht Tänze aus dem Ballett bearbeitet: die Ouvertüre, den Marsch, den Tanz der Zuckerfee, den russischen, arabischen und chinesischen Tanz, den Tanz der Rohrflöten und – als Höhepunkt – den Blumenwalzer. „Der ist dann aber auch sehr schwer zu spielen“, konstatiert Marc Waskowiak von seiner Position auf der linken Seite der Orgelbank her.

Das Sitzen auf der Orgelbank ist unter diesen Umständen nicht unbedingt ein Vergnügen. So muss der eine Organist immer wieder Hände und Füße aus dem Weg ziehen, damit der andere Organist die von der Partitur vorgeschriebenen Griffe überhaupt erreichen kann. Es ist ein wogendes Hin und Her, ein rechtzeitiges Wegrücken, manchmal auch eine Art künstlerischer Kampf um die Tasten auf den drei Manualen. „Gymnastik für Bauch, Beine, Po“, kommentiert Marc Waskowiak die teilweise artistischen Bewegungsabläufe gut gelaunt.

Die beiden sind äußerst selbstkritisch, und was nicht ordentlich klingt, das wird so lange geprobt, bis es „sitzt“. Das aber dauert Stunden um Stunden. Jede Probe ist mit mindestens drei Stunden angesetzt, die Kirche ist enorm kalt, die Hände werden klamm – trotz einer Standheizung, die zumindest für etwas Wärme im Rücken sorgt. Dennoch ziehen die Spieler die Jacken gar nicht erst aus.

Auch das Spiel mit vier Füßen auf dem Pedal ist nicht ganz einfach und bedarf einer guten körperlichen Kondition.

Trotz der Probenintensität gibt es Schlimmeres, überlegt der Kantor laut. 30 Stunden Tschaikowsky sind aber dennoch aus seiner Sicht gerade mal zwei Seiten Reger-Partitur. Waskowiak grinst jetzt ganz unverhohlen. Er hat da so seine Erfahrungen.

Brigitte Höhn und Waskowiak sind im Augenblick probentechnisch regelrecht aneinander gebunden. Denn dieses Stück lässt sich nur gemeinsam erarbeiten. „Alleine hat man da keine Chance“, sagt Brigitte Höhn, denn am Konzertabend muss jeder genau wissen, welche Hand wann wo auf dem Manual ansetzen muss, welcher Fuß das Pedal wann drückt und wann beiseite gezogen werden muss, um dem Nachbarn Platz zu machen.

Vier Hände benötigen Platz auf den relativ schmalen Manualen

Beide haben aber auch sehr unterschiedliche Methoden, um das Programm nachzubereiten. Während Brigitte Höhn Kontrollübungen macht und den Teil der Noten, die sie spielen muss, im Schneckentempo immer wieder durchgeht, wobei sie besonders die Stellen berücksichtigt, an denen sich die Stimmen kreuzen, bevorzugt Waskowiak das „Üben durch Hören“. Er legt verschiedene Orchesterfassungen auf, die er vergleicht, bewertet. So überarbeitet er seinen Part gedanklich.

Wie sich die beiden Methoden ergänzen und befruchten, kann das Publikum am 30. November um 19 Uhr in der Martin-Luther-Kirche erleben. Dann stehen auch noch weitere, kleine Werke auf dem Programm. Zudem wird Bernhard Noormann, Diakon im Ruhestand, weihnachtliche Texte lesen.

► Für das Geburtstagskonzert der Beckerath-Orgel ist der Eintritt frei. Es gilt 3G. Das Tragen einer FFP2-Maske ist obligatorisch.