Zeitlose Ansichten – Teil 6

Ostfriesland. In einem Nachlass sind 96 Arbeiten von Heinrich Habbo Herlyn gefunden worden, die nun nach und nach hier veröffentlicht werden sollen. Es handelt sich um Zeichnungen und aquarellierte Arbeiten, die ein Ostfriesland vor etwa 40 bis 100 Jahren zeigen.

Glockenturm der Kirche zu Critzum, gesehen Anfang der 50er Jahre

Heinrich Habbo Herlyn wurde 1901 in Namibia geboren und starb 1992 in Leer. Er war Schriftsteller und Redakteur und veröffentlichte unter anderem in Heimatblättern Geschichten und Gedichte über ostfriesische Themen. Viele seiner Arbeiten hat er selber mit Zeichnungen versehen. Zumeist stammen sie aus den 20er bis 80er Jahren. Manche sind datiert, nur wenige sind mit einem Ortshinweis versehen.

Glockenturm mit Dachreiter im rheiderländischen Holtgaste 1952

Auffallend ist, dass eine große Anzahl Zeichnungen Ostfriesland im Winter zeigt. Winterbilder sind im allgemeinen rar, weil ihr kühles Kolorit vermeintlich beim Betrachter weniger gut ankommt. Herlyn isoliert Gebäude und Landschaftsausschnitte und „porträtiert“ sie auf diese Weise. Dabei liegt über allen Bildern eine Stimmung von Ruhe, Gelassenheit und Zeitlosigkeit.

Glockenturm mit Tordurchgang in Rhaude

Die heutigen Bilder zeigen – passend zum Jahreswechsel – Glockentürme. Dazu gestellt ist ein Gedicht des Aurichers Fokke Hoissen Müller (1798 bis 1856), Mathematiker, Instrumentenbauer, Verfasser von Gedichten, der 1827 als Lehrer am Pädagogium der Franckeschen Stiftungen in Halle tätig war.

Glocken- und Kirchturm von Groothusen

Meinen Lieben in Aurich zum Neuen Jahr 1827

Winkt des Jahres erster Morgen,
Mag die strenge Arbeit ruh ’n
Leicht und ledig aller Sorgen
Will ich heut mir gütlich thun.

Heute will ich ’s mit Dir wagen,
Hab Dich lange nicht versucht
Sollst mich in die Heimath tragen,
Dichtergaul, auf rascher Flucht.

Durch die Zauberkraft der Lieder
Tret‘ ich eurem Kreise nah,

Vater, Mutter, Schwestern, Brüder,
Drückt die Hände mir, bin da!

Setzt euch traulich in die Runde,

Schaut mir freundlich in ’s Gesicht,
Vom Verbannten höret Kunde,

Von der Heimath gebt Bericht!