Zum letzten Mal: „Gisberts Schätze“

Pilsum. Die Weberlohne – eine kleine Gasse in Pilsum, von der aus der Blick direkt auf die Kreuzkirche fällt. Das Grab des Malers Gisbert Wilhelm liegt an der Friedhofsmauer. „Er könnte von dort aus direkt auf sein Haus schauen“, sagt Margit Fischer. Sie war 40 Jahre lang die Lebensgefährtin des Pastell- und Ölmalers und hat ihn bis zum Schluss begleitet. Wilhelm starb am 22. Dezember 2019, 88-jährig.

Margit Fischer mit einer Pastellarbeit. Gisbert Wilhelm wählte damals Primeln als Motiv. Blumen-Porträts waren seine Spezialität – neben Stillleben und Landschaften

Und nun wird es eine Gedächtnisausstellung zu Ehren des Verstorbenen geben. Auch der Ausstellungsort liegt gleich um die Ecke. Skudelskis Galerie in der Alten Bäckerei. Hier will Margit Fischer unter dem Titel „Gisberts Schätze“ rund 20 Arbeiten zeigen. Teilweise sind es Stilleben, für die Wilhelm bekannt war, teilweise sind es Bilder, die auf Reisen entstanden, nach Dänemark, Schottland, Wales, an die Ostsee. „Er hat gemalt, ich saß meist in einer stillen Ecke, um ihn nicht zu stören.“ Gisbert Wilhelm arbeitete beständig. Auch wenn es kalt war, saß er vor der Landschaft, skizzierte und entwarf Motive.

Reisen war schön, um neue Ideen zu bekommen, doch sein Zuhause war sein Domizil in Pilsum. Nur 35 Quadratmeter Grundfläche bot es anfangs. In den 90er Jahren wurde es um ein 20 Quadratmeter großes Atelier erweitert. Ein Wohnort, in dem alles vorhanden war, was für die Kunst benötigt wurde. Wilhelm richtete sein Heim mit viel Geschmack und mit zahllosen wohnlichen Stücken ein.

Seine „Revolution in der Malerei“ hat Gisbert Wilhelm in Form von Porträts des Emder Pastoren Menso Alting durchdekliniert

Individuelle Halterungen für die Übergardinen wurden mit Bedacht ausgewählt und von einem Kunstschmied exklusiv gefertigt. Bücher stehen ohne Zahl in schlichten Regalen. Stilsicher finden sich Keramiken aus aller Herren Länder im Raum und auf den breiten Fensterbänken verteilt. An den Wänden hängen exemplarisch eigene Arbeiten, darunter ein Pastell mit Webspindeln. Damit hatte sich der Maler einst um die Mitgliedschaft im Berufsverband Bildender Künstler in Ostfriesland beworben.

Der Maler bei der Arbeit – das war auch im Urlaub der übliche Anblick, denn Gisbert Wilhelm tat sich schwer damit, untätig zu sein

Wilhelm, Innenarchitekt in einem großen Möbelhaus im Ruhrgebiet, kam seit den 1963er Jahren immer wieder nach Ostfriesland. Meist war dann Greetsiel sein Ziel. Später entschloss er sich, ganz nach Ostfriesland zu ziehen und fand das Minihaus in Pilsum. Er, der den ruhigen Ort im Schatten der mächtigen Kreuzkirche immer mehr schätzte als das hektische Greetsiel, richtete sich ein, fand Freunde und lernte Margit Fischer kennen. 40 Jahre lang waren sie ein Herz und eine Seele, geheiratet haben sie nie, aber den 40. Jahrestag ihres Kennenlernens haben sie noch feiern können.

Gisbert Wilhelm war ein Mensch voller Selbstdisziplin. Nach dem Frühstück begann er ab 8.30 Uhr mit dem Malen und hörte erst wieder auf, wenn der Hunger ihn abzulenken begann. Gekocht habe er jeden Tag, sagt Margit Fischer. Sie habe ihm ein Kochbuch geschenkt, mit dem er bald souverän hantierte.

Rabenvögel gibt es am Haus in Pilsum exakt drei: auf dem Dach, am Eingang und auf einem Schild

Arbeiten, Schallplatten abspielen, Radio hören, lesen – einen Fernseher hatte Gisbert Wilhelm nicht. Auch das Internet fand nie Zugang in sein Haus. „Solche Dinge waren für ihn nicht wichtig“, versichert seine Partnerin, die in einem Haus steht, in dem sich seit dem Tod seines Bewohners nichts verändert hat. Es stehen frische Blumen auf dem Tisch, vor der Staffelei liegen noch die Malutensilien – so, als würde der Maler gleich wieder seine Arbeit aufnehmen. Margit Fischer hält das Haus, das zweitälteste im Dorf aus der Zeit um 1700 – sauber, kümmert sich um den winzgen Garten – „leider nicht so perfekt, wie ich es mir eigentlich wünsche“, sagt sie. Das Alter erzwinge kleine Einschränkungen. Doch die Töpfe vor der Haustür sind frisch bepflanzt und strahlen in bunten Farben.

Die Giebelwand des Hauses in der Weberlohne zeigt altes Steinmaterial, das hier verbaut wurde

► Die Ausstellung „Gisberts Schätze“, die am 9. September um 16 Uhr von Nina Fischer, Professorin an der Universität der Künste Berlin und Filmerin, eröffnet wird, dauert bis zum 7. Oktober in der Galerie Skudelski, Pilsumer Ring 9, Öffnungszeiten Mittwoch bis Sonntag 14 bis 17 Uhr.