„Emden muss wachsen!“

Emden. Der wirtschaftliche Rahmen ist „herausfordernd“, der Haushalt tief im Minus, die großen Projekte abhängig von maximaler Förderung, die Einwohnerzahl sinkt – und dennoch: die Stadtspitze will und wird nicht aufgeben. Das wurde im Rahmen der Jahrespressekonferenz der Stadt Emden am 14. Januar deutlich gemacht.

Oberbürgermeister Tim Kruithoff: „Wir sind durchaus optimistisch!“ Und auch der 1. Stadtrat Horst Jahnke blickt trotz der aktuellen Finanzsituation erwartungsvoll in die Zukunft. Und die lautet derzeit: „Wir müssen in Sozialstrukturen investieren!“ Und das bedeutet nicht nur, festhalten an den Investitionen, sondern auch eine Fortsetzung der Siedlungsentwicklung: das Ültje-Gelände, das Baugebiet Conrebbersweg, die soziale Stadt Borssum. All das soll realisiert werden, um die Abwanderung junger Familien zu stoppen. In so fern sieht der OB auch die jüngst erfolgte Verleihung des Negativ-Preises „Dinosaurier“ lediglich stellvertretend für eine Entwicklung, die die Stadt durchaus im Blick hat – die Flächenversieglung. „Aber wir sind auch da innovativ unterwegs.“ Seine Vision aber lautet: „Emden muss wachsen!“ und dem wird vieles untergeordnet.

Eines der Projekte, das die Abwanderung junger Familien aufhalten soll: das Ültje-Gelände, hier im Zustand kurz vor dem endgültigen Abbruch der Gebäude der ehemaligen Erdnuss-Rösterei. Bild: Wagner

Rückenwind verspürt der Oberbürgermeister durch die neue Bundesregierung „Darin liegen Chancen für Emden, aber auch für die Region.“ Das Mitdenken für die anderen steckt hinter den Maßnahmen in der Stadt. Etwa bei dem Bau des Zentralkrankenhauses in Uthwerdum, einem Thema, das Ende Februar entschieden werden soll und das von den beteiligten Kommunen nur realisiert werden kann, wenn die Förderung des Landes über 70 Prozent liegt. Aber da es sich um ein Pilotprojekt handle, sei er sehr zuversichtlich, betonte Horst Jahnke, „Zwingend notwendig“ sei der Bau dieses Hauses, meinte Tim Kruithoff. „Man bekommt schon jetzt für die kleinen Häuser keine Fachkräfte mehr.“ Man gehe daher fest von der Realisierung des Projektes aus, „sonst würden wir nicht so viel Kraft hineinstecken“.

Strategie und Vision sind zwei Begriffe, die im Rahmen der Jahrespressekonferenz der Stadt häufig fallen. Wie diese Visionen aussehen, schildert die neue Stadtbaurätin Irina Krantz an Hand einer langen Liste von Projekten, die bereits begonnen wurden oder noch begonnen werden sollen. Sie verpackt das zuversichtlich. „Wir werden …“, beginnt sie jeden ihrer Sätze. Was steht auf der To do-Liste der Stadt? Unter anderem dieses: die Komplettsanierung des Untergrunds und der Oberfläche der Straße Zwischen beiden Sielen, die Aufwertung der Pottgießerstraße durch Verbannung des Verkehrs und Anbindung an die Kunsthalle, die Planungen für die soziale Stadt Borssum, die energetische Sanierung der Innenstadt, die Realisierung des letzten Bauabschnitts der Wolthuser Straße, die Fortsetzung der Sanierung der Althusiusstraße, die Parkplatzbewirtschaftung in der Innenstadt, der Umbau der Hermann-Löns-Straße zur Fahrradstraße, der Bau des Parkhauses an der Medmann-Straße, die Fortsetzung der Arbeiten am Verwaltungsgebäude 1, der Ausbau der Trogstrecke.

Und dann ist da noch der Rysumer Nacken, ein Projekt „das wir niemals aufgeben werden, denn das ist eine riesige Entwicklungsfläche“, sagen Kruithoff und Jahnke unisono. Allerdings habe man es falsch angefangen, erklärt Horst Jahnke. Die Niederländer hätten auf der anderen Seite des Dollarts zunächst investiert, um Unternehmen anzusprechen. Auf der deutschen Seite aber würde erst investiert, wenn Unternehmen sich ansiedeln wollen. Dann aber sei es zu spät.

Doch der Rysumer Nacken ist bei weitem nicht die einzige Baustelle, die die Stadt beschäftigt. Allein 120 Gebäude und mehr als 100 Brücken seien ständig zu sanieren. Bei der Digitalisierung und der Sicherheit seien Investitionen nötig, erläuterte Jahnke. Allein die Neuanschaffung eines Feuerwehrfahrzeugs schlage mit 300 000 bis 400 000 Euro zu Buche. Und dies seien Ausgaben, die allein von der Stadt geschultert werden müssten. Froh sei man darüber, dass der Rksh endlich an der Petkumer Straße bauen könne. Das erhöhe die Flexibilität des Rettungswesens und ermögliche die Erweiterung des Einsatzbereiches bis nach Tergast. Froh sei man auch über den Ausbau der Kindergärten in Friesland und im Falkenhorst. Weitere Bauten seien in Harsweg (OBW) und in Barenburg (Johanniter) geplant. Große Anstrengungen habe es bedeutet, den Neubau eines Frauenhauses mit Hilfe der Isensee-Stiftung zu organisieren. Stadtrat Volker Grendel habe sich hier über die Maßen engagiert. Zumindest der Beginn der Bauarbeiten solle noch in diesem Jahr erfolgen.

Gleichwohl lagert über der Stadt – auch aufgrund fehlender Steuereinnahmen durch VW – das Gespenst der massiven Verschuldung. Die Zahlen, die Jahnke vorlegte, sprachen Bände: 2020 – minus 22 Millionen Euro, 2021 – minus 17 Millionen Euro, 2022 – minus 18 Millionen Euro. Die Rücklagen sind nahezu aufgebraucht. Und dass die Steuern im Jahr 2023 anziehen werden, glaubt Jahnke nicht. So hat es in Emden schon das erste Konsolidierungsgespräch gegeben. Eine Million Euro pro Jahr sollen eingespart werden. „Wir werden daher alle Ressorts noch einmal ganz genau durchgehen“, kündigte der 1. Stadtrat an. Immerhin: Die Finanzaufsicht des Landes lasse die Stadt trotz der Defizite derzeit arbeiten, ohne sich einzumischen.