Nochmals 100 000 Euro vom Land für Zentralmagazin
Emden. Das „Sammlungszentrums für historisches ostfriesisches Kulturgut“, das die Ostfriesische Landschaft in Aurich einrichtet, wird vom Land Niedersachsen nochmals mit 100 000 Euro gefördert. Diese Zugabe soll Baupreissteigerungen für das Projekt ausgleichen, erklärte der Minister für Wissenschaft und Kunst, Björn Thümler, am Sonnabend im Rahmen des Oll‘ Mai in der Johannes a Lasco Bibliothek vor rund 300 Gästen. Große Erleichterung bei Landschaftsdirektor Dr. Matthias Stenger, der lobte, dass die Ostfriesische Landschaft in Hannover immer ein „offenes Ohr“ finde. Auf der Grundlage dieser zusätzlichen Summe sieht Stenger die Möglichkeit, nun noch weitere Geldgeber anzusprechen. Es geht dabei auch um die Finanzierung der Ausstattung des Zentralmagazins. Bisher stehen Fördergelder vom Bund, dem Land, der EU und den Kommunen in Höhe von rund 2,2 Millionen Euro zur Verfügung.
Thümler bestätigte in seinem Grußwort, dass der Bund einen Zuschuss für die bauliche Erweiterung und Sanierung der Johannes a Lasco Bibliothek fest zugesagt hat. Das Projekt hat einen Umfang von 2,67 Millionen Euro. Der Förderantrag bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien lautete auf eine 50-prozentige Bezuschussung aus dem Bundesförderprogramm „Investitionen für nationale Kultureinrichtungen in Deutschland (INK)“ 2022. Das Land hatte 100 000 Euro als Anschub dazugegeben. Die Bausanierung umfasst ausschließlich Maßnahmen, die unbedingt nötig sind, um das Haus zukunftsfähig zu machen. Thümler möchte diese Arbeiten bis 2024 umgesetzt wissen, weil die Bibliothek im Rahmen des Kant-Jahres (300. Geburtstag), das in Niedersachsen groß gefeiert werden soll, eine Rolle spielen wird. Niedersachsen sei – ausgehend von Seezen und Wolfenbüttel – „ein Hotspot der Aufklärung“, betonte der Minister.
Er verwies zugleich darauf, dass man bis zu Herbst des Jahres in Hannover ein Kulturfördergesetz beschließen will, mit dem Ziel die Kulturförderung als öffentliche Aufgabe festzuschreiben. Damit könne man schnelle Entscheidungen auf kurzem Weg treffen, wobei die Landschaften wichtige Mittler seien, denn es sei keinesfalls nötig, dass alle Entscheidungen in Hannover gefällt würden.
Ehrungen:
► Mit dem Indigenat, der ostfriesischen „Ehrenbürgerwürde“, zeichnete Landschaftspräsident Rico Mecklenburg die Vorsitzende des Fehnmuseums „Eiland“ in Großefehn, Kerstin Buss aus. Sie habe das Museum professionalisiert und neue Formate angeregt.
► Gerd Rokahr, Kunsterzieher, Druckgrafiker und Historiker habe mit seinem Arbeiten und Büchern viele Aspekte der Geschichte von Esens aufgeschlüsselt. Seine letzte Publikation befasst sich mit der jüdischen Opernsängerin Sara Oppenheimer, die aus Esens stammte. Rokahr erhielt ebenfalls das Indigenat.
► Unternehmer Helmuth A. Brümmer, beschäftigt sich mit dem Denkmalschutz in Bunde und Bunderhee und ist gerade dabei, die Sanierung des Hofes Tammen abzuschließen, der dem Steinhaus von Bunderhee benachbart ist. Der Züchter von Friesenpferden, der 2010 den Kulturkontakte Preis des Landes Niedersachsen erhielt, unterstützt Vereine und ist seit 2015 auf seinem Polderhof Gastgeber des Abschlusskonzertes der „Gezeiten“. Er erhielt die Ubbo Emmius-Medaille. Dieses ist die höchste Ehrung der Ostfriesischen Landschaft für Ostfriesen.
► Ebenfalls mit der Ubbo Emmius-Medaille wurde Dr. Bernd Kappelhoff geehrt. Der Historiker und Archivar war von 2005 bis 2014 Präsident des Niedersächsischen Landesarchivs in Hannover. Als gebürtiger Emder gilt einer seiner Forschungsschwerpunkte dieser Stadt und ihrer Geschichte. Unter anderem hat sich Kappelhoff in jüngster Zeit der 202-jährigen Geschichte von 1820dieKUNST angenommen.
► Georg Murra-Regner ist Leiter der Gedenkstätte Dornum, der einzigen Synagoge Ostfrieslands, die im Originalzustand erhalten geblieben ist. Mehr als 30 Bücher veröffentliche er, und beschäftigt sich mit dem jüdischen Friedhof in Dornum, ebenso wie mit jüdischer Geschichte generell. Ihm überreichte Rico Mecklenburg das Upstalsboom-Siegel, das für fachspezifische Verdienste um Geschichte, Kunst, Kultur oder Bildung verliehen wird.
Vorträge:
Im Mittelpunkt der Feier des Oll‘ Mai standen zwei Vorträge über das Bürgertum im 19. Jahrhundert (Professorin Dr. Gunilla Budde) und der „Geschichte der Emder Kunst und der bürgerlichen Vereinigungen in Emden und Ostfriesland“ (Dr. Bernd Kappelhoff).
Gunilla Budde machte deutlich, in wie vielen Bereichen das Bürgertum des 19. Jahrhunderts Ausstrahlungskraft bis heute besitzt. Das betrifft zum Beispiel die Aufgabenteilung zwischen Mann (Beruf) und Frau (Haushalt und Mutter), die Bedeutung erstklassiger Bildung und Erziehung, die Förderung der Kinder, aber auch das Bewusstsein, sich einen Platz in der Welt selber erobern zu können, ohne ihn – wie der Adel – durch Geburt zu erben. Dieses Selbstbewusstsein als Merkmal des Bürgertums entwickelte Gunilla Budde logisch aus der Kant’schen Definition von „Aufklärung“ heraus. In dieser Atmosphäre bürgerlicher Liberalität fallen auch die Vereinsgründungen – als Treffpunkte und als „Foren von Diskussion und Geselligkeit“, in der sich die Mitglieder als zugehörig zu einer gemeinsamen Wertewelt empfanden.
Auch Bernd Kappelhoff setzte bei den Idealen der Aufklärung an und stellte den Kant-Satz „Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen“ in den Mittelpunkt seiner Ausführungen, die mit einem allgemeinen Teil begannen und sich erst im zweiten Abschnitt mit der „Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer“ befassten. Er erläuterte dies anhand von Dokumenten aus dem Bestand der „Kunst“, wobei er den Mythos, der Kunstverein habe sich gegründet, um den Ausverkauf bildender Kunst zu unterbinden, als einen Topos entlarvte. Auch der Frage, ob die „Kunst“ nun ein Kunst- oder ein Geschichtsverein sei, klärte Kappelhoff für sich eindeutig: „Die ,Kunst‘ war ein Kunst- und kein Geschichtsverein im Sinne der Aufklärung.“
Die musikalische Ausgestaltung lag in den Händen des ostfriesischen Schwestern-Duos „Joco“. Das sind Josepha Carl und Cosima Carl, die sich selber mit E-Piano, Schlagwerk und Gitarren begleiteten. Einen besonderen Song präsentierten sie auch a capella.