Ein bewegtes Leben in bewegter Zeit

Emden / Leer. Was tut man als Mitglied einer großen Familie, wenn man Klarheit über die Strukturen der eigenen Vergangenheit gewinnen möchte? Man beginnt, genealogisch zu arbeiten, verbringt Stunden über Stunden in Archiven und Bibliotheken mit dem Studium von Akten. Man liest Briefe, versucht die Anbindung an bereits bestehende Familienforschungen – man ist aber auch angewiesen auf Zufälle.

All das kam zusammen, als der Leeraner Apotheker Dr. Heinrich Buurman (81) Wissenslücken füllen wollte, die auf eine wesentliche Frage hinausliefen: Woher kommt die Familie eigentlich? Der Vater hatte mit Blick auf den Familiennamen kurzerhand auf Holland getippt. Doch Buurman wollte das genauer wissen und hinterfragte die These.

Vor Alt-Emder Kulisse: Dr. Heinrich Buurman und sein neuestes Buch über die Geschichte seiner Familie

Aus seinen Forschungen ist ein Buch entstanden, in dem die Familiengeschichte bis ins Jahr 1566 zurück aufschlüsselt wird. Und weil der Weg der Buurmans direkt nach Emden führte, wurde am Dienstag, 20. Dezember, seine familienkundliche Publikation im Rummel des Rathauses am Delft vorgestellt – mit Mitgliedern der Familie, einigen Politikern und Oberbürgermeister Tim Kruithoff. Ebenso wie Buurman trägt auch Kruithoff einen niederländisch klingenden Namen. Das schaffe eine gewisse Verbindungsebene, machte der OB deutlich.

Buurman legt mit seinem Buch nun aber keine Liste mit Namen und nackten Daten vor, sondern er breitet ein Panorama aus, in das er seine Suche, aber auch das historische Element einbindet. Er lässt also die Vorfahren in ihrem Emder Umfeld agieren und kommt dabei zu erstaunlichen Erkenntnissen. Als Buurman mit seinen Nachforschungen begann, konnte er sich auf die Untersuchungen zweier Vettern seines Vaters berufen, die als ältesten Vorfahren der Familie einen Gerd Buurman aus Emden benannten, der 1671 Vater eines Sohnes geworden war. Buurman konstatiert: „Damit schien man in eine Sackgasse geraten zu sein, denn Bemühungen, die Vorfahren dieses Gerd ausfindig zu machen, blieben erfolglos.“

Plauderei im weihnachtlich geschmückten Rummel: Dr. Heinrich Buurman und Tim Kruithoff

Dann kamen Tipps, wo man noch suchen könnte: Familienforscher spielten dabei eine Rolle, ein pensionierter Lehrer, ein Niederländer, ein ebenfalls pensionierter Rektor und ein Archivar. Schließlich gelang es, die Ahnenreihe des Gerd Buurman sechs Generationen zurückzuverfolgen – zu Hinrich Burman, der 1566 das Emder Bürgerrecht erworben hatte. Aber woher war Hinrich gekommen? Auch hier gab es Hilfe von außen. Und schließlich schälte sich heraus, dass jener Hinrich aus dem kleinen Ort Barßel im Oldenburger Münsterland gekommen war. Da immer nur der älteste Sohn den Hof erbte – Barßel war Ende des 15. Jahrhunderts ein reines Bauerndorf, bestehend aus elf Höfen, konnte man wohl davon ausgehen, dass jener Hinrich sich etwas anderes gesucht hatte, um seinen Lebensunterhalt sicherzustellen, mutmaßte Buurman. Er müsse wohl über die Flüsse mit dem Kahn nach Emden gekommen sein.

Jener Hinrich muss ein bewegtes Leben in einer bewegten Zeit geführt haben. Denn Heinrich Buurman aus Leer konnte seinen Emder Ahnen als Brauer, als Mitglied verschiedener Diakonien, als Schüttenhöftling (eine Art Stadtpolizei), als Baumeister und in verschiedenen politischen Ämter ausmachen. Auch gehörte Burman zu jenen, die 1595 an der Emder Revolution beteiligt waren, in deren Folge Graf Edzard II. seine Residenz von Emden nach Aurich verlegte. Er gehörte zu den Mitunterzeichnern eines Protestschreibens an den Grafen, und er war am Bau jenes gigantischen Bollwerkes mitten in der Emsmündung beteiligt, mit dem versucht werden sollte, die verlandende Ems wieder in ihr altes Bett zu zwingen und somit den Hafen Emden weiter schiffbar zu halten. Dieses Projekt ist als „Nesserlander Höft“ bekannt.

Hinrich Burman muss gut verdient haben, denn er investierte Geld in den Erwerb von Schiffsanteilen. Auch kaufte, tauschte und verkaufte er Häuser. Hinrich Burman war zweimal verheiratet und hatte sechs Kinder. Man weiß nicht, wann er geboren wurde. Man weiß nur, wann er an der Pest starb, nämlich am 5. September 1598.

Doch nicht allein Hinrich ist im Blick des Familienforschers. Nach und nach schlüsselt sich die Familiengeschichte bis ins 18. Jahrhundert auf – immer begleitet von Hinweisen auf historische Ereignisse, Informationen über alte Berufe, und auch sehr nahe eheliche Verbindungen zwischen Onkel und Nichte, sowie Tante und Neffen werden thematisiert.

Das alles macht den Eindruck von Vielgestaltigkeit und Fülle, aber der Leser fühlt sich nicht wirklich überlastet davon. Und auch die Tatsache, dass es ja hier um eine Familiengeschichte geht, mit der man selber nun gar nichts zu tun hat, ist kein Hindernis, das reich bebilderte Buch zu lesen, das letztlich, dank des Karten-Fachmanns Michael Recke, zahlreiche Emden-Ansichten beinhaltet und reichlich aus der Emder Geschichte schöpft.

Dr. Heinrich Buurman sagt von sich: „Eigentlich bin ich Emder, obwohl ich in Leer geboren wurde.“ Er studierte Pharmazie in Braunschweig und Geschichte der Pharmazie in Marburg, bevor er sich als Apotheker in Leer etablierte. Heute führt sein Sohn die beiden Apotheken der Familie. Und Buurman beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Schreiben von Monographien. Er hat bereits eine beeindruckende Liste von Veröffentlichungen aufzuweisen. Über Norderney hat er ebenso geschrieben wie über die Jagd in Ostfriesland, das Radeln, alte Apotheken, über Giftmord, Heil- und Geheimmittel, über Tierärzte, Drogisten oder Optiker. Sein jüngstes Buch soll auch nicht sein letztes gewesen sein. Buurman hat schon wieder ein neues Thema gefunden.

► Heinrich Buurman, „Burman, Buhrman, Buirman, Buyrman, Buurman in Emden“, 160 Seiten mit vielen farbigen und schwarzweißen Abbildungen. Es kostet 20 Euro. Da das Buch im Eigenverlag erschienen ist, bekommt man es nur direkt bei Heinrich Buurman, Bachstraße 1, 26789 Leer, E-Mail: kontakt@heinrichbuurman.de