„Besonderer als besonders“

Aurich. Die Gezeitenkonzerte der Ostfriesischen Landschaft firmieren in diesem Jahr unter dem Motto „Neues entdecken“ und sie seien „besonderer als besonders“, wie der künstlerische Leiter des Festivals, Matthias Kirschnereit, feststellte. Was er damit meinte, stellte sich bei der Vorstellung des Programms dar, das Kirschnereit wie in jedem Jahr den Mitgliedern des Freundeskreises während deren Jahresversammlung als ersten präsentiert. Zudem gab er Kostproben seiner pianistischen Kunst – in diesem Jahr ebenfalls ein ungewöhnliches Erlebnis, weil er sich unter anderem in den Bereich Jazz begab und Werke von Bill Evans oder George Gershwin spielte.

Volles Haus bei der Programmvorstellung für die Gezeiten-Konzerte 2023 im Ständesaal der Ostfriesischen Landschaft. Bild: Schoon

Das Programm der diesjährigen Gezeiten umfasst 38 Konzerte, die vom 4. Juni bis zum 6. August, verlängert durch einen kleinen Epilog, durchgeführt werden. Und was ist dabei so besonders? Zum Beispiel, dass der Entertainer Helge Schneider erwartet wird (7. Juni). Kirschnereit ist „seit Jahrzehnten“ ein Fan des Multitalents. Nach einem Konzert trafen die beiden in der Garderobe von Schneider zusammen – und Schneider zeigte sich schließlich nicht abgeneigt, die Gezeiten zu bespielen. Dann sei auch noch Otto Waalkes hinzugekommen und habe angeregt, „etwas zusammen zu machen“. Diesbezüglich wurden allerdings noch keine Pflöcke eingeschlagen.

Als Torero: Helge Schneider

Fest abgemacht ist aber ein Abend mit dem Komponisten Klaus Badelt, der zum Emder Filmfest kommt und dann einen Abstecher zu den Gezeiten macht (9. Juni). Badelt hatte im letzten Jahr das Konzert des Pianisten Rudolf Buchbinder in Leer besucht und war kurz mit Kirschnereit bekannt gemacht worden. Erstmals wird im Komponisten-Porträt, das traditionell in der Kunsthalle stattfindet, eine Frau im Mittelpunkt stehen: die russisch-österreichische Lera Auerbach, die in den Vereinigten Staaten lebt. Am 25. Juni laden die Gezeiten zu einem Wandelkonzert, in dem drei Pianisten und zwei Schlagzeuger spielen werden. Möglich wird dies, weil die Firma Yamaha die benötigten Instrumente zur Verfügung stellt. Das allein sei einer Spende in Höhe von mehr als 10 000 Euro vergleichbar, erläuterte Kirschnereit.

Nicht alltäglich sind „Cellisimo“, eine Formation aus sechs Cellisten, die im Juli bei den Gezeiten zu Gast sein werden. Und „Neues entdecken“ werden auch „Canadian Brass“, die auf einer schwimmenden Bühne im Leeraner Hafen gastieren und damit zugleich zu Gast sind bei der Jubiläumsfeier „200 Jahre Stadt Leer“. In Bargebur können die Besucher mit „Mara“ die Autobiographie eines Cellos erleben. Geschrieben wurde der Text von dem Schriftsteller Wolf Wondraschek über das Stradivari-Cello gleichen Namens, das heute von Christian Poltéra gespielt wird, aber auch schon das Instrument von Heinrich Schiff und anderen berühmten Cellisten war. Poltéra wird in Bargebur spielen, Wondraschek lesen. Eine „ganz neue Farbe im Programm“ soll der Auftritt von des Kabarettisten Christian Ehring sein, der Kabarettist, aber auch Musiker ist und beide Künste in einem Programm verknüpfen wird. Austragungsort wird erstmals das Forum Alte Werft in Papenburg sein.

Breit gespannt ist damit auch das musikalische Angebot. Es reicht von der Barockmusik mit Werken wie Monteverdis „Marienvesper“, Telemanns „Ebbe und Flut“ und Händels Feuerwerksmusik, über Schumanns „Frühlingssinfonie“, das „Forellen-Quintett“, Deutsche Volkslieder von Brahms, den „Karneval der Tiere“ bis hin zur Musik der 20er Jahre und zu französischem Gypsy Jazz. Die „Blindfische“ mit ihrem Programm für Kleine und Große sind im September im Gezeiten-Epilog zu erleben. Das Eröffnungskonzert findet in der Emder Martin-Luther-Kirche statt, der Abschluss – wie gewohnt und beliebt – im Friesenpferde-Gestüt in Bunderhee.

Matthias Kirschnereit stehe nicht nur für Beständigkeit, sondern auch für Entwicklung, stellte Landschaftspräsident Rico Mecklenburg angesichts der umfassenden Darstellung des Programms fest. Kirschnereit sorgte aber auch mit seinen musikalischen Einlagen für geradezu konzertante Stimmung. Dabei reichte sein Programm von einer „Chaconne“ mit unendlich vielen Variationen von Händel bis zu einem Stück aus Ligetis „Musica Ricercata“. Und es schien als spiegelte sich in diesem Rahmen das Große im Kleinen, nämlich die ganze Vielfalt der „Gezeiten“ in kleinen Andeutungen und Anspielungen vorab.