Den Wortsinn lebendig werden lassen!

Leer. Stimmkultur in höchster Vollendung zeigte „Amarcord“ im Rahmen des Musikalischen Sommers in Ostfriesland in der Großen Kirche zu Leer. Mit Begeisterung verfolgte das Publikum in der gut besuchten Kirche den Gang der fünf Sänger durch die Jahrhunderte – beginnend in der Renaissance und endend bei Gospels, Folksongs und Volkslied. Das Programm war ausgefeilt, anregend arrangiert und prachtvoll präsentiert.

„Den Wortsinn lebendig werden lassen“ – das war das Ziel der Musik von Josquin des Prez. Er war ein franko-flämischer Komponist und Sänger und schon zu seiner Zeit das, was man heute einen Star nennt. Seine Musik bietet sphärische Klänge von meisterhafter Inspiration, und besonders das „Salve Regina“, eine marianische Antiphon, geriet zu einem höchst effektvollen Erlebnis, weil sich die Sänger im Saal verteilten, die Musik somit aus allen Richtungen zu kommen schien und die Besucher atmosphärisch einhülllte.

Dem gegenüber standen die „modernen Zeiten“, und hier entzückten besonders die Tonsetzereien von Francis Poulenc (das Lob des Heiligen Antonius von Padua) sowie zwei Lieder aus dem Zyklus „Four Motets“ von Aaron Copland, die in ganz feiner Weise das geistliche Element thematisierten – das klang elementar und wurde durch die Stimmen von Wolfram Lattke, Robert Pohlers, Frank Ozimek, Daniel Knauft und Holger Krause zu einem wunderbar ausgewogenen Klangerlebnis.

Der zweite Teil des Abends bot einen Tagesablauf in den Bergen – eine impressionistische Studie des komponierenden Kapitäns Jean Cras mit hinreißenden musikalischen Effekten, die in einem sanft verklingenden Hymnus an die Nacht endet.

Von den drei Gospels war – beinahe ist man versucht zu notieren: natürlich – „Sweet low“ das wirkungsvollste Stück, das am interessantestens auf die fünf Stimmen – zwei Tenöre, ein Bariton, zwei Bässe – verteilt war. Folkloristisch wurde es dann bei den drei Liedern aus Irland, Schweden und Deutschland, wobei das Klappern der „Mühle am rauschenden Bach“ besondere, sehr intensive lautmalerische Akzente erhielt.

Auffallend bei „Amarcord“ ist der statuarische Eindruck der Gruppe, die diese Haltung während des Konzertes auch nicht aufgibt. Die Ruhe, die sich darin ausdrückt, steht oft in lebhaftem Gegensatz zu der Musik, der Ausdruck gegeben wird. Aber sie bewirkt, dass die Konzentration sich wesentlich auf die Musik richtet. Diese „Nichtablenkung“ vom Wesentlichen ist ein Merkmal, das die Sangeskunst der einstigen Thomaner umso intensiver hervortreten lässt.

Zum Abschluss gab es eine brillante Interpretation von Cole Porters „Let’s do ist, let’s fall in love“. Und dann verabschiedeten sich die Herren zu ihrer Japan-Tournee – von Leer nach Tokio, dem Quintett ist ganz offensichtlich kein Weg zu weit!

Kleine Notiz am Rande. Die Liedanzeiger der Großen Kirche waren zum Konzert zweckentfremdet worden und kündigten nunmehr die Gruppe, den Veranstalter und den Titel des Programms „Hear the Voice“ an.