180 Besucher bei „starken Ostfriesinnen“
Emden. Das war ein Anblick, den die Veranstalter der „Gesellschaft der Freunde der Johannes a Lasco Bibliothek“ genießen mussten. Die Einladung zur Veranstaltung „Starke Ostfriesinnen – Wilhelmine Siefkes und Greta Schoon“ am Donnerstag (14. September) in der Johannes a Lasco Bibliothek wurde von so vielen Besuchern wahrgenommen, dass Stühle nachgestellt werden mussten. Schließlich waren es 180 Besucher, die dem Referenten Andreas Wojak ein stattliches Plenum boten.
Wojak, der sich dem Thema auf Bitte von „Freunde“-Vorstandsmitglied Klaus Frerichs genähert hatte, stellte die beiden Frauen zunächst biographisch vor, ehe er im zweiten Teil Texte und Gedichte auf Plattdeutsch vorlas. Reizvoll dabei war, dass Wojak mit Greta Schoon verwandt war, und dass Wilhelmine Siefkes zum Freundeskreis seiner Großeltern gehörte. Somit war Nähe garantiert. Das merkte man etwa bei den Film-Einspielungen, die sich im Privatarchiv des gebürtigen Spetzerfehners Wojak befinden.
Die beiden „bedeutendsten Literatinnen Ostfriesland“ wurden in das Umfeld ihrer Zeit gestellt, als es sehr viele Schriftsteller und Dichter in der Region gab, die auch alle Kontakt untereinander pflegten. Briefe gingen hin und her, und obwohl Greta Schoon verfügt hatte, ihre hinterlassenen Papiere zu verbrennen, was auch geschah, so fanden sich abgesandte Briefe von ihr in den Nachlassenschaften der Adressaten. Diese konnte Wojak heranziehen, um Fakten abzugleichen, die Wilhelmine Siefkes in ihren „Erinnerungen“ benennt, oder auch um biographische Lücken zu schließen.
Beide Frauen haben Lebensgeschichten, die nicht glatt verlaufen sind. Wilhelmine Siefkes kümmerte sich lange um ihre kranke Mutter – trotz höherer Schulbildung, die sie über eine Förderung erreichen konnte. Ein Beruf war zu damaliger Zeit für Frauen eher unüblich. Und als Wilhelmine schließlich Lehrerin geworden war, sah sie sich mit dem „Lehrerinnen-Zölibat“ konfrontiert. Grundschullehrerinnen durften nicht verheiratet sein.
Politisch sei Siefkes von Louis Telemann und Hermann Tempel beeindruckt gewesen. Die SPD wurde ihr zum Familienersatz. Regelmäßig schrieb sie in der sozialdemokratischen Wochenzeitung „Volksbote“, die Tempel und Telemann gegründet hatten und auch herausgaben. Als entschiedene Nazi-Gegnerin trat sie aus der Kirche aus, als sie Pastoren erlebte, die die Nazimärsche mitmachten. Sie wurde Mennonitin.
Greta Schoon habe lebenslang unter dem „Verlust einer Beziehung“ gelitten. „Das hat ihr nicht nachlassenden Kummer bereitet“, sagte Wojak. Schoon, in der Familie nur „Tant Heti“ genannt, habe schon in den 20er Jahren erste Versuche gemacht, sich als Autorin zu etablieren. Doch erst in den 50er Jahren ging es für sie mit dem Schreiben richtig los. Durch ihre Arbeit in Kindergärten habe sie Kinderreime und Gedichte verfasst. Und als Lyrikerin wurde sie dann so bekannt, dass sie 1984 mit dem Roswitha-Literaturpreis ausgezeichnet wurde. „Das war damals eine Sensation“, versicherte Wojak, denn Greta Schoon sei damit in die erste Liga der Lyrikerinnen aufgestiegen. Diesen Preis bekamen zum Beispiel Ilse Aichinger, Elfriede Jelinek, Luise Rinser, Rose Ausländer, Hilde Domin oder Ulla Hahn.
Eine Lesung aus „Keerlke“ von Wilhelmine Siefkes und von Gedichten Greta Schoons beendete den Abend.