Vortrag über Goethe als Naturforscher

Oldenburg. Am 1. November lädt die Oldenburgische Bibliotheksgesellschaft um 19 Uhr zu einem Vortrag im Saal der Oldenburger Landesbibliothek, Pferdemarkt 15, mit dem wissenschaftlichen Mitarbeiter der Johannes a Lasco Bibliothek Emden, Dr. Michael Weichenhan, ein. Sein Thema: „Die Farben sind Taten des Lichts, Taten und Leiden“ – Goethes Farbenlehre im Kontext seiner Kritik an den Naturwissenschaften.

Farbenkreis, aquarellierte Federzeichnung von Goethe aus dem Jahr 1809. Das Original befindet sich um Freien Deutschen Hochstift – Frankfurter Goethe-Museum

Goethes Farbenlehre lässt sich, so die These des Referenten, durchaus als mächtigster Gebirgszug auf dem Kontinent seines Gesamtwerks beschreiben! Die immer noch übliche Perspektive auf Goethe als dem Weimarer Klassiker bestimme hingegen das Bild von ihm: vom Dichterfürsten, vom Autor der Faust-Dichtungen, des West-östlichen Divan und zahlreicher anderer Gedichte, der Wahlverwandtschaften und einiger nur noch mehr oder minder bekannter Dramen. Der Naturforscher Goethe sei dem gegenüber eher aus dem Blick geraten. Ganz besonders sei es seine Farbenlehre, die nur noch historisches Interesse auf sich zu ziehen vermöge.

In der Tat habe es Goethe schwer gehabt, rund ein Jahrhundert nach den bahnbrechenden Studien Isaac Newtons zur Natur des Lichtes und der Farben seinem eigenen Entwurf Gehör zu verschaffen. Die Leistung Newtons schien der endgültige Durchbruch zur Wahrheit. Weichenhan: „Das sah Goethe anders, und seine Kritik an Newtons Optik, die oft zur Polemik geriet, zuweilen auch zur boshaften Beschimpfung, hat seine Beschäftigung mit dem Sehen und seiner notwendigen Bedingung, dem Licht, über Jahrzehnte begleitet.“

„Zur Farbenlehre“, 1810 veröffentlicht, bildet lediglich den zentralen und umfangreichsten Text, dem bereits 1791 die „Beiträge zur Optik“ vorangingen; hinzu kommen zahlreiche Notizen zum Thema, das ihn buchstäblich bis zum Lebensende beschäftigte. Faust-Stoff und Farben bilden somit die inhaltlichen Konstanten in Goethes Leben, und an Umfang übertreffen die Aufzeichnungen zur Optik jedes andere seiner Werke, heißt es in einer Pressemitteilung zum Vortrag.

Promovierte über ein astronomie-historisches Thema: Dr. Michael Weichenhan

Weichenhan wird in seinem Vortrag versuchen, den Sinn der Farbenlehre Goethes zu ermitteln. Er wird dabei forschungsgeschichtlich von der brillanten Studie „Mehr Licht“ (2015) des Berliner Wissenschaftstheoretikers Olaf L. Müller ausgehen, die es unternimmt, die physikalischen Stärken Goethes herauszustellen und Goethe als ebenbürtigen Gegner Newtons zu präsentieren.

Allerdings bezweifelt Weichenhan, ob diese Rekonstruktion tatsächlich dem Ansatz Goethes gerecht zu werden vermag. So wird er versuchen, Goethes Kritik an Newton im Zusammenhang von Goethes Auseinandersetzungen beispielsweise mit biologischen Theorien seiner Zeit zu deuten – und damit als Kritik an einer bestimmten Form wissenschaftlicher Welterkenntnis. Die Farbenlehre Goethes stellt nicht nur eine interessante Alternative zu Newtons Theorie dar. Sie thematisiert, so die Schlussfolgerung des Vortrags, das Wesen des Menschen als das eines schauenden Wesens.
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Dr. Michael Weichenhan studierte evangelische Theologie in Ost-Berlin, anschließend Philosophie, klassische Philologie und Geschichte der Naturwissenschaften an der Universität Hamburg und der Technischen Universität Berlin. Nach der Promotion über ein astronomiehistorisches Thema arbeitete er an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin als Assistent für Philosophie, später als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sonderforschungsbereich „Transformationen der Antike“, wo er insbesondere zur Geschichte der orientalischen Philologien im 19. Jahrhundert forschte. Seit 2019 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Editionsprojekt „Zwischen Theologie, frühmoderner Wissenschaft und politischer Korrespondenz: Die sozinianischen Briefwechsel“, das an der Johannes a Lasco-Bibliothek Emden angesiedelt ist.