Eine kompromisslose Regentin, die scheitert
Aurich. Christine Charlotte von Württemberg (1645 bis 1699), jung verwitwete Fürstin von Ostfriesland, betrieb während ihrer 25-jährigen Regentschaft eine eigenwillige Politik. Sie wollte die absolutistische Landesherrschaft. Auf der anderen Seite standen die Stände, die eine ständische Herrschaft wollten. Die Auseinandersetzungen zwischen den Parteien beherrschen das Vierteljahrhundert zwischen 1665 und 1690. Christine Charlotte agierte in ihrem Sinne geschickt und kompromisslos. Wie sie das machte, war das Thema eines Vortrags von Rieke Becker, Doktorandin an der Uni Paderborn. Diese sprach am Montag (20. Februar) vor einem großen Plenum im Ständesaal der Ostfriesischen Landschaft. Die Veranstaltung wurde gemeinsam von der Landschaftsbibliothek und dem Landesarchiv, Abteilung Aurich organisiert.
Christine Charlotte heiratete Georg Christian von Ostfriesland mit 17 Jahren, bekam zwei Mädchen, die beide starben. Sohn Christian Eberhard kam vier Monate nach dem Tod seines Vaters zur Welt. Damit bot sich für die junge Fürstin die Möglichkeit der vormundschaftlichen Regentschaft. Sie suchte sich Mitvormünder, um ihren Anspruch auf alleinige Herrschaft durchzusetzen. Und sie schloss Bündnisse, um Schutztruppen ins Land holen zu können. All dies brachte Ärger mit sich, weil die Konfrontation mit den Ständen ihr Tun ständig begleitete.
Ihre Politik gründete auf Korrespondenzen. Und diese Briefe hatte Rieke Becker zum Mittel genommen, um sich der Frau des 17. Jahrhunderts anzunähern. Gegenüber den Mitvormündern inszeniert sie sich als hilflos und schutzbedürftig, schafft somit emotionale Nähe, schürt aber auch Ängste und suggeriert schließlich, es sei im Eigeninteresse der Adressaten, ihr und Ostfriesland zu helfen, weil das Land eine Schlüsselstellung zwischen größeren Mächten einnähme. Die Fürstin ist gut vernetzt und ihre diplomatischen Strategiern fruchten – auch indem sie politische Schwäche inszeniert und zum Argument macht, warum Hilfestellug unerlässlich sei.
Die Referentin fokkusierte sich auf die Handlungen der Fürstin, die Rolle der Stände blieb am Rande, wie sie selber sagte. Doch die Tatsache, dass eine Frau der Cirksena überhaupt im Fokus stand, hatte für die Besucher genügend Anreize, um in eine lange Diskussion überzugehen, die letztlich fast genauso lange dauerte wie der Vortrag selbst. Die junge Wissenschaftlerin, die gebürtige Ostfriesin aus Moormerland ist, will ihre Dissertation noch in diesem Jahr abschließen.