In jahrelanger Kleinarbeit erforscht

Aurich. Er ist Gymnasiallehrer und Historiker, und er beschäftigt sich mit einem Grafen des Harlingerlandes, von dem bisher wenig bekannt ist. Titus Blecken (Jahrgang 1990) ist Fachmann für Balthasar von Esens und hat in jahrelanger Kleinarbeit dessen Leben erforscht. Noch ist die Arbeit nicht abgeschlossen, aber der gebürtige Wittmunder hofft, sie womöglich mit einer Dissertation abschließen zu können. Den aktuellen Forschungsstand aber hat er schon jetzt vorgestellt – im Rahmen der gemeinsamen Vortragsreihe der Landschaftsbibliothek und des Niedersächsischen Landesarchivs, Abteilung Aurich. Rund 90 Besucher waren in den Ständesaal der Ostfriesischen Landschaft gekommen und wollten wissen, was es mit dem später zum Junker degradierten Adeligen auf sich hat.

Volles Haus im Ständesaal der Ostfriesischen Landschaft beim Vortrag von Titus Blecken

Blecken rekonstruierte Familienzusammenhänge und Lebensdaten aus den wenigen Quellen, die ihm zur Verfügung stehen. Hauptsächlich seien das drei Chroniken, auf die er sich stütze. Eggerik Beningas „Chronica der Fresen“ von 1562, die „Denkwürdigkeiten des Hieronimus von Grest“ von 1555 und die Bremer Chronik des Johannes Renner (1561 bis 1580). An Sekundärliteratur habe es nur ein einziges Werk gegeben, das sich mit Balthasar beschäftigt – und das ohne kritischen Blick. „Mehr gibt es nicht“, kennzeichnete Blecken seinen Ausgangspunkt.

Der Junker Balthasar-Brunnen von Friedrich Büschelberger, 1981 geschaffen

Doch die drei Chroniken, die er in Teilen erst einmal ins heutige Deutsch übertragen musste, waren letztlich so aussagekräftig, dass den einzig bekannten Daten – Balthasar war von 1522 bis 1540 Regent des Harlingerlandes – einige weitere hinzugefügt werden konnte. Anderes wurde indirekt erschlossen. Schließlich konnte Blecken eine Zeittafel erstellen, die allein schon 100 Seiten lang ist. Auf Grund seiner Analysen hat der Studienrat aus Winsen zum Beispiel das Geburtsjahr Balthasars eingrenzen konnte – er müsse zwischen 1494 und 1497 geboren sein, sagt Blecken.

Siegel des Balthasar

Balthasar, der ein Vetter der Maria von Jever war, hatte sechs Geschwister, von denen drei schon früh verstarben. Sein Vater war Hero Omken, der Armgard von Oldenburg heiratete. Die älteste Tochter des Paares, Onna, ehelichte Otto von Rietberg. Ihr Sohn, Johann II. von Rietberg, wird der Erbe seines Onkels, der nie geheiratet hatte und keine legitimen Kinder hinterließ.

Bei seinen Recherchen entdeckte Blecken auch einen historischen Fehler, der es nötig machte, die eigentlich für 2027 geplante Feier anlässlich der Verleihung der Stadtrechte an Esens um elf Jahre zu verschieben. Der Pädagoge konnte nämlich nachweisen, dass diese Recht erst zwischen Januar und Juni 1538 verliehen wurde.

Titus Blecken

Blecken zeigte sich als Historiker, der sich nicht scheut, ungewöhnliche Maßnahmen zu nutzen, wenn es moderne Formen von Vermittlung geht. So hatte er aus Sequenzen verschiedener Historienfilme einen „neuen“ Trailer zusammengeschnitten, der eine temporeiche Werbung für das Genre darstellte und visuelle Anreize für einen vor fast 500 Jahren verstorbenen Adeligen bot. Und da es von Balthasar kein Porträt gibt, hatte Blecken Abhilfe geschaffen, indem er historische Porträts per künstlicher Intelligenz zu einem neuen Halbfigurenporträt verband. Man kann nicht sagen, dass den Gästen diese Art, geschichtliche Lücken zu füllen, missfiel.