Feinsinniges, harmonisches Miteinander

Emden. Die Nationale Kammerphilharmonie Prag gastierte in der Johannes a Lasco Bbliothek, und sie hinterließ nachhaltigen Eindruck. Die Tschechen waren nicht nur ein mitreißendes Ensemble, sie hatten auch ein ausgefeiltes Programm dabei – und als Solisten einen Cellisten, der klanglich und virtuos faszinierte.

Die Nationale Kammerphilharmonie Prag gastierte in der Johannes a Lasco Bibliothek.
Bilder: Wolfgang Mauersberger

An dem eiskalten Sonnabend (23. März), an dem nachmittags noch Hagelschauer niedergegangen waren, begann das Konzert mit – der Ouvertüre zum „Sommernachtstraum“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Und tatsächlich wurde den Besuchern warm ums Herz – angesichts einer drängenden Spielweise, die die Höhen und Tiefen des Reiches von Titania und Oberon ausleuchtete – und das mit Stilempfinden und einem enormen Klangvolumen.

Dirigent Tomás Brauner stand mit seinen ungewöhnlichen Bewegungsabläufen allein optisch schon im Fokus. Ob in gekrümmter oder gedehnter Körperhaltung, großräumiger oder auch kleinteiliger Stabführung, stets war er der Herr des Verfahrens, der Garant für Qualität, der sich gleichwohl zugunsten des Solisten zurückhalten und bescheiden konnte. Es machte nicht nur Spaß, den Musikern zu lauschen, sondern auch, Brauner beim Dirigieren zuzusehen. Das war ganz großartig – zumal seine Anstrengungen belohnt wurden – von einem herzhaft spielenden Orchester, das mit Leib und Seele bei der Musik war.

Und es folgte eine musikalische Perle nach der anderen. Nun ging es an die Ehre der Tschechen – Musik, die Stolz und Selbstverständnis in sich trägt. Nicht nur Dvorak kam zu Wort, sondern auch die Russen Tschaikowski und Prokofjew. Die Prager erzeugten einen Sound, in dem sich Temperament und Folklore paarten mit einem wunderbar weichen Klang, der zu Herzen ging, weil er Seele hatte.

Dvoraks „Waldesruh“, ein kurzes Opus für Violoncello und Orchester, sprach von einem tiefen Empfinden, und Solist Edgar Moreau sorgte mit seinem Cello für lupenreinen Klang, zeigte enorme technische Fähigkeiten sowie bestechende Virtuosität und emotionale Tiefe.


Gesteigert wurden diese Fähigkeiten in Tschaikowskis „Rokoko-Variationen“. Das Stück bietet höchste Schwierigkeiten, ist gespickt mit Herausforderungen, bewirkt aber auch große melodische Entfaltung. Der Solist zog hierbei buchstäblich alle Register, jagte über das Griffbrett und verdeutlichte die Souveränität seiner Kunst.

Das war so großartig, dass das Publikum in heftigste Begeisterung ausbrach und der Applaus kaum enden wollte – was der Solist mit der anrührenden dritten Sarabande aus der 4. Suite für Cello solo von Johann Sebastian Bach quittierte – an Feinsinnigkeit kaum noch zu überbieten.

Ganz konzentriert und dicht beim Orchester: Dirigent Tomás Brauner

Im zweiten Teil des Abends stand das Orchester im Mittelpunkt, das mit der „Symphonie classique“ von Prokofjew demonstrierte, welche Farbenvielfalt ein Orchester bewirken kann. Dabei zeigten die Prager eine solche Lust am Spiel, dass das Publikum – regelwidrig, aber enthusiastisch – schon nach dem ersten Satz in Applaus ausbrach, was besonders dem Konzertmeister ein verständnisinniges, fröhliches Lächeln entlockte. Überhaupt hatte man den Eindruck, dass das Kammerorchester mit seinem Dirigenten eine völlige Einheit bildete. Dieses harmonische Miteinander war bis in die letzte Ecke des kerzenbeleuchteten Raumes zu spüren.


Das blinde Verständnis füreinander kulminierte im musikalischen Höhepunkt des Abends, Dvoraks melodiensatter „Tschechischen Suite“, wobei Orchester und Dirigent geradezu miteinander verwoben. Solch eine voluminös klingende Suite, die mit so viel Herz, Begeisterung und sehr genauem Aufeinander hören, gespielt wurde, bekommt man nicht alle Tage zu hören.

Schade nur, dass dieses grandiose Konzert nicht mehr Besucher fand. Diese Qualität hätte ein Mehrfaches an Gästen verdient – und sie hätten als Fans der Kammerphilharmonie das Haus wieder verlassen. Ganz sicher!