„Wie oft hat man die Chance, ein Theater zu bauen?“

Ein Besuch im Festspielhaus am Wall, das am 20. April eröffnet werden soll

Emden. Gute Nerven braucht der, der privat baut. Noch bessere Nerven braucht der, der ein öffentliches Gebäude baut. Doch Bauherrin Kerstin Rogge-Mönchmeyer kennt sich aus. 2011 baute die heutige Leiterin von Kulturevents Emden eine neue Eishalle für Bremerhaven. Jetzt ist es das Festspielhaus am Wall, dessen Fertigstellung sie und ihre Mitarbeiter entgegensehen.

Und abends mit Beleuchtung: das neue Festspielhaus am Wall. Bilder: Wolfgang Mauersberger

Unendlich viele Widrigkeiten stellten sich dem Umbau, der nahezu einem Neubau gleichkommt, in den Weg: Corona, allgemeine Teuerung, Baustoffmangel. Es wurde improvisiert, immer wieder neu ausgeschrieben, verändert, angepasst. Doch wie ein Puzzle setzt sich nun alles Stück für Stück logisch zusammen, was in der Vorbereitung geplant wurde. Jeden Donnerstag war Baubesprechung. Der Tag der Wahrheit. Und Oberbürgermeister Tim Kruithoff, zugleich Emdens Kulturreferent, saß regelmäßig am Donnerstag, so berichtet er es selber, „auf Kohlen“. Was würde jetzt wieder kommen? Welcher Baustoff war nun wieder nicht da? Was würde teurer werden? Welche Probleme taten sich auf?

Diese Phase ist nun, 22 Tage vor der Eröffnung, nahezu abgeschlossen. Das Haus wird unumstößlich am 20. April für die Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Und es gibt derzeit keine Ecke im Gebäude, an der nicht gearbeitet wird. Gerade haben die Elektriker die Stufenbeleuchtung im großen Saal installiert und probeweise geschaltet. Jetzt ist eine ganze Mannschaft im Orchestergraben unterwegs. Auch vor dem Haus tut sich einiges. Es wird großflächig gepflastert. Anders als eigentlich geplant, kann sich der Bereich vor dem Theater nämlich nicht in einen Park verwandeln. Ein entsprechender Antrag für „Natur vor dem Bau“ wurde nicht bewilligt. „Vielleicht ergibt sich ja noch einmal die Gelegenheit …“, hofft Thorben Anders, stellvertretender Leiter von Kulturevents.

Erstmals in Betrieb: die Beleuchtung der Stufen im Saal. Die Treppenanlage, auf der Thorben Anders Platz genommen hat, wurde schmaler, die Sesselbreite größer. Zudem gibt es neben den zwei Zugängen im unteren Bereich zwei weitere, die über das neue Foyer erreichbar sind.

Im neuen Foyer steht ein besonderes Prunkstück, ein Ofen, der mittels Wasserdampf und Flammenbeleuchtung echtes Feuer suggeriert. Umgeben ist das zentrale Stück von einer Vielzahl von Sitzelementen. Später sollen hier die Theater-Gäste die Pausen plaudernd verbringen. Sie haben aber auch die Möglichkeit, sich an den Stehtischen auf Barhockern niederzulassen. Zur Szenerie werden auch raumgreifende Gemälde des fotorealistischen Malers Hermann Buß gehören, die dem Haus maritimes Flair verleihen. „Der Hafen und das Wasser gehören ja zu den Alleinstellungsmerkmalen Emdens“, sagt Kerstin Rogge-Mönchmeyer.

Farblich wurde im Foyer, das sich über zwei Etagen erstreckt, auf Dezenz gesetzt: der gedämpft rote Teppichboden, das Mobiliar in anthrazit und dunkelgrau, angenehmes Licht. Statt einer Riesen-Theke gibt es verschiedene multifunktionale und mobile Klein-Tresen, die wahlweise als Ausschank, als Info- oder Verkaufsstand genutzt werden können. „Das war uns wichtig, weil das Festspielhaus ja auch als Tagungsstätte dienen und viele kulturelle Sparten bedienen soll“, sagt die Kulturevents-Chefin.

Kulturevents-Betriebsleiterin Kerstin Rogge-Mönchmeyer mit dem Kamin im Foyer, um den herum Sitzmöglichkeiten gruppiert sind

Um Empfänge durchführen oder Raum für Workshops anbieten zu können, wurden die beiden seitlich gelegenen Garderoben komplett entfernt und durch Klapp-Elemente ersetzt, die nur bei Bedarf eingesetzt werden. „Das ist ein enormer Platzgewinn, und die beiden Räume sind so groß, dass man sie wirklich anderweitig nutzen kann.“

Extra-Arbeiten ergaben sich massenhaft. „Eigentlich wollten wir ja an das Bühnenhaus gar nicht ran.“ Doch aus Brandschutzgründen musste vieles aufgerüstet werden. Alle Vorhänge wurden aus diesem Grund erneuert und durch zertifizierte Stoffe ersetzt. Dabei nähten die Fachleute die Vorhänge direkt auf der Bühne, um sicherzugehen, dass auch alles passt. „Mit bloßem Ausmessen ist es bei den verwendeten Massen an Material da nicht getan“, hat Thorben Anders erfahren.

Das Geländer sperrt den Orchestergraben ab. Es ist, wie so vieles im Haus, mobil und wird bei Bedarf mit Hussen eingeschalt, damit das Licht aus dem Graben die Besucher nicht blendet. Der Bereich vor dem festen Gestühl kann mit Sitzen, aufgefüllt werden, die ohne Verankerung im Boden auskommen.

Um den Orchestergraben musste aus Sicherheitsgründen ein Geländer eingezogen werden, denn die breite Brüstung, die sonst Saal und Graben trennte, ist verschwunden. Die Gitterteile sind – wie so vieles im Haus – mobil und lassen sich einstecken oder herausnehmen, wie es gerade nötig ist. Wird der Graben aber tatsächlich für das Orchester genutzt, bekommen die Zaunelemente eigens angefertigte Hussen übergezogen, die den Lichtschein abdämmen.

Das Prinzip indirekten Lichtes gilt im großen Saal ebenso wie im Außenbau. So verläuft ein Lichtband rund um das Bühnenhaus – zudem ist dieses farblich veränderbar. Auch die Wandflächen werden durch verdeckte Lichtleisten strukturiert. Im Treppenhaus erhalten die Geländer eine Beleuchtung, die nach unten abstrahlt. „Das ist eleganter und zweckmäßiger als die Treppenstufen einzeln zu erhellen“, meint die Kulturevents-Chefin.

Innen wird von Thorben Anders und Kerstin Rogge-Mönchmeyer noch gefachsimpelt, während im Außenbereich die Pflasterung zügig vonstatten geht

Für den Haupteingang, der als breiter Windfang gestaltet ist, hat sich noch eine spielerische Idee ergeben. Er wurde mit Teppichboden bezogen und kann nun als Ausstellungsfläche für besondere Maskottchen oder Objekte dienen, die in Bezug zu der jeweils stattfindenden Veranstaltung stehen. Erstmals soll das am 19. April geschehen. Dann wird es nämlich eine Eröffnung für geladene Gäste geben. Das dafür vorbereitete Programm soll zeigen, was im neuen Festivalhaus technisch und optisch alles möglich ist.

Einer der Künstler, die für diesen Abend eingeladen wurden, ist der Pianist Matthias Kirschnereit. Der Pianist und künstlerische Leiter der Gezeitenkonzerte soll jenen Flügel spielen, den er vor einigen Jahren bei Steinway & Sons in Hamburg für Emden eingekauft hat. Das teure Klavier war in den letzten Jahren fachkundig in Oldenburg eingelagert worden und befindet sich derzeit im Klavierhaus Bockelmann in Leer. „Trotz der professionellen Einlagerung muss so ein Instrument wieder neu eingespielt werden“, sagt Kerstin Rogge-Mönchmeyer, die selber Kontrabassistin ist. Das Instrument wird daher auch erst vier Tage vor der Eröffnung wieder in das Festspielhaus gebracht, wo es zunächst auf der Bühne Platz findet. Künftig kann er aber in einer eigenen klimatisierten „Garage“ pausieren.

Das untere Foyer mit Stehtischen und Barhockern. Im Hintergrund die fest installierte Theke zu sehen, die ergänzt wird durch weitere kleine Multifunktions-Tresen, die individuell im Raum aufgestellt werden können